Kinder der Freiheit beginnt 1961 mit dem Mauerbau und endet damit, dass sich eine durch die Mauer getrennte Familie am Checkpoint Charlie am 9. November 1989 wiederfindet. Ken Follett nimmt seinen Leser mit auf eine 1200 Seiten starke und faszinierende Reise durch drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Ob Kubakrise, Kennedyattentat, schwarze Bürgerrechtsbewegung, Prager Frühling, Watergate, Vietnam, Solidarnosc, Gorbatschow – kaum eine wichtige historische Entwicklung aus der Epoche des Kalten Kriegs fehlt.
Das Universum Folletts ist dabei nicht schwarz-weiß. Nicht nur die Terrorapparate der Stasi und des KGB werden ausführlich geschildert, sondern auch die Unterdrückung der Afroamerikaner und die Ermordung von Unschuldigen in Beiruts Straßen durch die CIA. Der sture Breschnew kommt genauso schlecht weg, wie der verlogene Nixon und der skrupellose Reagan.
Im Mittelpunkt stehen sechs Familien aus Deutschland, England, USA und Russland. In Sturz der Titanen hat der Leser die Großeltern und in Winter der Welt die Generation der Väter und Mütter kennengelernt. Jetzt sind die Enkelkinder an der Reihe. Und die Enkel der Familien Peshkow, Fitzherbert, Williams, von Ullrich, Dewar und Rothmann – mit Ausnahme der ostdeutschen Linie - gehören zu den Privilegierten oder werden zu Privilegierten der Nachkriegszeit.
Keiner versteht es so gut wie Follett, Weltgeschichte durch die Schicksale der Menschen lebendig werden zu lassen. Jahrhundertereignisse gehen dabei einher mit ganz persönlichen Beziehungsdramen, bei denen die Erotik nicht zu kurz kommt.
Da ist Rebecca, Lehrerin in Ostberlin, die erfahren muss, dass ihr Ehemann sie nur geheiratet hat, um ihre Familie zu bespitzeln. Sie flüchtet zusammen mit ihrem neuen Freund, der sich auf der Flucht so schwer verletzt, dass er bis zum Lebensende im Rollstuhl sitzt. In den 80er Jahren wird sie an der Seite Genschers der deutschen Delegation angehören, die Bush Senior zu überzeugen versucht, dass in Europa tatsächlich sich etwas ändert. Ihr Bruder Walli überfährt auf der Flucht mit einem Lkw einen Grenzsoldaten und macht in England und den USA Karriere als Rockstar. Zeit seines Lebens leidet er darunter, dass er seine schwangere Freundin in der DDR zurückgelassen hat.
In den USA steht George, ein Schwarzer, der später als Berater für Bob Kennedy arbeiten wird, im Mittelpunkt. Mit dem Freedom Ride in Alabama beginnt für Georage der Kampf gegen die rassistischen Segregationisten. Neben ihm im Bus sitzt die schwarze Juristin Maria, die als Mitarbeiterin des Pressestabs im Weißen Haus schon bald ein Verhältnis mit J. F. Kennedy beginnen wird. George hat ein langjähriges Verhältnis mit Verena, die für Martin Luther King arbeitet. Der Leser wird so aus nächster Nähe Zeuge der „I have a dream“-Rede und des Attentats auf den großen Bürgerrechtler.
Mit Jasper, der zum britischen Ensemble gehört, erlebt der Leser das Grauen des Vietnamkriegs. Mit Cam, einem Erzkonservativen, gelangt der Leser in den Dunstkreis Nixons.
Dimka, ein hoher Apparatschik und Berater Chruschtschows, glaubt an die Reformierbarkeit des Sowjetsystems und kämpft gegen die konservativen alten Männer im Kremel, die sich blind für die Realität an die Macht klammern. Mit Gorbatschow findet er seine Erfüllung, hat aber mit der Niederschlagung des Prager Frühlings seinen Glauben an das System bereits verloren. Seine Schwester Tanja arbeitet für die TASS und nutzt ihre Privilegien als sowjetische Journalistin, um Manuskripte eines nach Sibirien verbannten Freundes in den Westen zu schmuggeln.
Das ist allerdings nur ein ganz kleiner Teil des umfassenden Personals des Romans. Der Leser sieht sich mit zahlreichen komplexen Lebensläufen, die alle ihre ganz eigene Geschichte haben, aber auch miteinander in Kontakt stehen, konfrontiert. Die Protagonisten sind lebendig, sie entwickeln sich und ändern ihre Überzeugungen. Auch Personen aus den beiden Vorgängerbüchern tauchen auf, tragen weiter zur Handlung bei oder vollenden ihr Leben. Wie z. B. Ethel Williams, die als Dienstmädchen und Labouraktivistin begann und ihr Leben als Baronin im Londoner Oberhaus beschließt.
Trotz der zahlreichen Protagonisten gelingt es Follett, so zu schreiben, dass der Leser immer den Überblick behält. Überhaupt zeichnet ein einfacher, verständlicher Sprachstil den Roman aus.
Ein grandioser Unterhaltungsroman, der die Jahrhunderttrilogie würdig abschließt!
Ken Follett
Kinder der Freiheit
ISBN-13: 978-3785725108
Bastei Lübbe 2014
1211 Seiten
1211 Seiten
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