Mancher Hobbyautor strauchelt beim Thema Beschreibungen in seinem Roman. Der Kopf ist voll von Hinweisen der Art „Vermeiden Sie Infodump!“. Gleichzeitig aber gibt es eine Stimme im Kopf die sagt: „Beschreibe dem Leser ausführlich die Welt!“
Was soll man tun? Ist der Autor gefangen zwischen Hammer und Amboss? Nein, ich glaube nicht. Es gibt einen schönen Wegweiser aus dem Dschungel, den ich ausführlich vorstellen möchte. Zuerst widme ich mich dem Begriff „Infodump“. Er begegnet uns Lesern in vielen Variationen, leider oft bei Independent-Autoren, aber in manchen Fällen auch bei Werken namhafter Verlage. Er ist lästig, man versucht ihn zu vermeiden, doch immer wieder schleicht er sich an wie ein Taschendieb. Gerne tarnt der Infodump sich in Dialogen, bei denen eine Romanfigur der anderen etwas erklärt, was diese eigentlich schon längst weiß. Der unsichtbare Gesprächspartner ist in diesem Fall der Leser. Im englischen Sprachraum nennt man es das „Wie-du-weißt-Bob-Syndrom“.
Hier ein Beispiel:
„Wie du weißt, Bob, ist unser Vater bedauerlicherweise sehr früh gestorben. Mama hatte mit uns zwei Raufbolden viel zu tun, das Geld reichte hinten und vorne nicht. Dann nahmen wir beide den Job im Supermarkt an und leider hast du dich mit den falschen Leuten eingelassen und kamst auf die schiefe Bahn.“
Üblicherweise bedankt Bob sich dann artig für die ihm völlig neue Info über seine Vergangenheit und leitet dann über zu dem aktuellen Problem der Romanhandlung. Gähn.
Was ist die Aufgabe von Beschreibungen?Beschreibungen schaffen ein Gefühl für die Umgebung - für den Leser!
Beschreibungen setzen die Stimmung oder ändern sie – für den Leser!
Die Autoren schaffen für den Leser eine neue Welt – in deren Gedanken!
Dazu brauchen sie eine gute Beschreibung der Romanwelt, sei es eine Fantasy-Umgebung oder eine Stadt in unserer Zeit.
Wer braucht keine Beschreibung?
Die Romanfiguren, die in der Welt leben. Er braucht keine Beschreibung seines Alltags. Er erfasst ihn mit allen Sinnen nur so, wie wir. Hier ein Beispiel:
Die Straße sah wie üblich aus. Der Verpackungsmüll des nahen Fastfood-Ladens lag überall herum. Die Straßenreinigung kam immer spät am Tag. Man müsste sich darüber beschweren, überlegte Laura. Der vertraute Geruch nach frischen Backwaren drang in ihre Nase und erinnerte sie an den Zweck des Rundgangs am frühen Morgen: Frühstücksbrötchen kaufen. Hinter dem Tresen stand wieder das junge Ding mit den schwarz unterlaufenen Tränensäcken. Laura grinste. Wahrscheinlich erneut die Nacht zum Tag gemacht und durchgefeiert bis zum Arbeitsbeginn. Die nuschelnden Antworten sprachen ebenfalls Bände.
Romanfiguren – Ausnahmen siehe oben – brauchen keine Beschreibungen. Leser schon! Wenn Sie also Beschreibungen in Ihre Story einfügen, behalten Sie das im Hintergrund. Überlegen Sie, was Sie einfügen und – wichtiger – was Sie weglassen!
Hier eine Checkliste als Hilfe:
· Welche Informationen braucht der Leser um die Welt der Romanhandlung zu sehen und zu fühlen?
· Welche der fünf Sinne sollten angesprochen werden? Denken Sie auch an Gerüche und Geräusche.
· Was verlangt der Leser wahrscheinlich zu wissen? Was würde ihn vermutlich überhaupt nicht interessieren?
· Wird die Welt durch die Augen und Sinne der Hauptpersonen beschrieben? Steht die Beschreibung mit dem Wissen dieser Person, ihrer Lebenserfahrung im Einklang?
Denken Sie an Laura in dem obigen Beispiel. Ist sie eine erwachsene Person? Ja! Woran merkt man es? Ihre Überlegungen über Beschwerdemöglichkeiten, die Vermutungen bezüglich der nächtlichen Aktivitäten der Verkäuferin, lassen den Schluss zu.
Könnte Laura ein Teenager sein? Nein, eher nicht. Sie würde die Welt anders wahrnehmen.
Der Verpackungsdreck von dem leckeren Fastfood-Essen lag wieder herum. Wo blieb eigentlich die Müllabfuhr? Wann taten die einmal ihren Job, die Faulenzer? Laura grinste, sog die Luft ein. Es roch nach frischen Backwaren. Hinter dem Tresen war wieder Janina. Geile Tänzerin! Janina konnte die ganze Nacht in der Disco durchtanzen, war der Star. Die schwarzen Ränder unter den Augen zeigten, dass sie es gestern auch gemacht hatte. Schade, dass die Idioten in dem Bäckerladen sie immer am Wochenende Dienst schieben ließen. Dauernd mussten die Jungen ran, während die alten Weiber bequem ausschlafen durften und nur werktags ran mussten. Ausbeuterladen!
Anmerkungen für Beschreibungen:
· Beschreiben Sie die Umgebung oder das Aussehen von Charakteren dann, wenn der Leser ihnen zuerst begegnet. Machen Sie es interessant und nützlich für den Leser.
· Behalten Sie im Hintergrund, dass Beschreibungen mehr sind als nur das, was man sieht. Nutzen Sie einige Sinne mehr.
· Denken Sie daran, dass die Art und Weise, wie jemand redet oder sich verhält mehr über eine Romanfigur aussagt, als nur eine physikalische Beschreibung.
· Jemand, der neu irgendwo ist, nimmt die Umgebung anders wahr, als ein Einheimischer.
· Vermeiden Sie Infodump bei Beschreibungen von Personen: Der Mann mit dem graumelierten Haar, der Narbe über dem rechten Auge und den dunklen Augen stützte sich auf einen braunen Holzstock. Die Füße in den schwarzen Lackschuhen schlurften über den blau-gelben Teppich. Das schwarze Sakko mit den Nadelstreifen saß wie angegossen an dem muskulösen Körper. Dabei nickte der Mann unmerklich mit dem Kopf jeden zweiten Schritt, betrachtete die Tapete mit dem Blumenmuster aus Veilchen und Rosen.
· Denken Sie daran, dass Romanfiguren nicht immer Zeit haben, um etwas zu beschreiben: Er rannte keuchend dem Mörder hinterher, durch die Straße mit der langen Reihe an Autos. Er erkannte einen alten VW-Transporter. Ein Modell von 1980! Der Besitzer hatte bestimmt viel investiert in die Pflege. Die Luft stank nach einer Mischung aus Abgasen und gebratenem Fleisch aus dem Dönerladen. Glaubt irgendein Leser, dass man so die Umgebung wahrnimmt, während man einem Mörder hinterher läuft?
· Beachten Sie, dass das Wissen über Dinge zum persönlichen Hintergrund eines Romancharakters passen muss. Der eine erkennt einen VW-Transporter von 1980, für den anderen ist es nur eine alte Karre.
· Geben Sie der Romanfigur einen guten Grund um etwas zu beschreiben. Er sollte es auf gar keinen Fall tun, bloß weil es Ihnen als Autor gerade passt. Das Beispiel mit der Verfolgungsjagd passt auch hier.
Gastbeitrag von Bernard Mondae