Daniel Oliver Bachmann, geboren 1965 in Schramberg, ist Absolvent der Filmakademie Baden-Württemberg und dreht Filme, u.a. für das ZDF und für ARTE. Zudem ist er Autor zahlreicher Romane, Reiseberichte und Drehbücher. Viel Zeit verbringt er auf seinen Reisen durch alle Kontinente.
In "Hamburger, Hollywood & Highways: Abenteuer Alltag in den USA" beschreibt Bachmann seine Reise quer durch die USA (von West nach Ost): 8.000 Kilometer durch 20 Staaten. Eindrucksvoll schildert er seine Begegnungen mit den Menschen im Gangland von L.A., beim Rodeo, in den Rocky Mountains, den weiten Prärien des Mittelwestens und in NewYork.
Bachmann besucht alte Freunde und findet neue. Die Begegnungen mit den Menschen stehen im Mittelpunkt seiner Schilderungen. Es sind interessante, oft auch skurrile Typen, die der Leser auf diese Weise kennenlernen darf. Mit viel Humor und mit einer nie arroganten Ironie schildert er Aktuelles und Historisches. Sein Blick auf die Dinge ist offen und unvoreingenommen. Er versucht, zu verstehen. Als er z.B. von Siedlern erzählt, die im 19.Jahrundert in einem Blizzard umkamen und so ihrem Traum vom neuen Leben mit dem Tod bezahlten, hält er am Straßenrand an, um sich selbst dem tobenden Eissturm auszusetzen.
Der Untertitel lautet "Abenteuer Alltag in den USA". Das trifft allerdings in keiner Weise zu. Denn die erzählten Geschichten sind besonders, nicht alltäglich. Die Menschen, von denen erzählt wird, sind einzigartig und nicht durchschnittlich. Das ist aber alles andere als nachteilig. Gerne habe ich mich rund 4 Stunden lang mit dem Autor auf diese kurzweilige, nicht alltägliche, aber äußerst informative Reise durch die USA begeben.
Fazit: lesenswert!
Bachmann, Daniel Oliver
Hamburger, Hollywood & Highways: Abenteuer Alltag in den USA
215 Seiten
Dryas; Auflage: 1., Aufl. (März 2009)
ISBN-10: 3940855022
ISBN-13: 978-3940855022
19,99 EURO
Neuerscheinungen, Rezensionen, Autoren, Selfpublishing, Buchmarkt, Verlagswelt ... für alle, die gerne lesen, schreiben oder sich austauschen wollen.
Bücher und eBooks - Literatur Blog, Rezensionen, Selfpublisher
Sonntag, 29. September 2013
Dienstag, 24. September 2013
Vorschüsse für Self-Publishing-Autoren
Die Grenze zwischen Self-Publishing und klassischen Verlagen verschwimmt: Self-Publishing-Anbieter BookRix wird ausgewählten Autoren zukünftig Vorschüsse zahlen.
München, 23. September 2013 – Im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse 2013 sorgen die Münchner eBook-Spezialisten von BookRix für frischen Wind in der Buchbranche. Während sich die Diskussion vielerorts immer noch auf der Ebene klassischer Verlag versus Self-Publishing bewegt, zeigt BookRix mit dem Start des bisher einzigartigen Programms BookRix Selected, wo die Reise des Self-Publishings zukünftig hingeht.
Im Rahmen von BookRix Selected gewährt das Unternehmen ausgewählten Autoren einen finanziellen Vorschuss für das nächste via BookRix veröffentlichte eBook. Die geleisteten Vorschüsse werden dann mit Einnahmen aus zukünftigen eBook-Verkäufen verrechnet, so wie es bei klassischen Verlagsvorschüssen üblich ist.
Vielversprechende Autoren kommen dank des Programms zugleich in den Genuss der Freiheiten des Self-Publishings (Selbstbestimmung) und der Vorzüge eines klassischen Verlags (Verlagsvorschüsse = finanzielle Sicherheit).
Dazu BookRix-Gründer und CEO Gunnar Siewert: „Wir verbinden mit BookRix Selected das Beste aus beiden Welten und bieten Autoren die Vorteile des Self-Publishings und eines klassischen Verlages aus einer Hand.“
Vertrauensvorschuss – BookRix möchte Autoren nachhaltig aufbauen und mit der Zahlung von Autorenvorschüssen ganz klar signalisieren, dass man auf eine langfristige Zusammenarbeit setzt. Im Generellen ist das Programm ein klares Bekenntnis zur Förderung von Qualität und Nachhaltigkeit im Self-Publishing-Markt.
Über BookRix:
Als etablierter Anbieter von Self-Publishing-Services ermöglicht BookRix unabhängigen Autoren ihre eBooks professionell zu vertreiben und in allen relevanten Online-Shops wie z.B. Amazon, iTunes, Weltbild, ebook.de und Thalia zum Verkauf anzubieten. Mit über 500.000 registrierten Usern betreibt BookRix zudem die größte internationale Online-Community rund um eBooks und Self-Publishing und bietet Autoren somit gleichzeitig eine Plattform für Promotion und Lesergewinnung. Der gesamte Service von der eBook-Erstellung bis hin zur Distribution an die Shops ist für alle Autoren kostenlos.
Quelle: Pressemitteilung BookRix vom 23.9.13 per eMail
München, 23. September 2013 – Im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse 2013 sorgen die Münchner eBook-Spezialisten von BookRix für frischen Wind in der Buchbranche. Während sich die Diskussion vielerorts immer noch auf der Ebene klassischer Verlag versus Self-Publishing bewegt, zeigt BookRix mit dem Start des bisher einzigartigen Programms BookRix Selected, wo die Reise des Self-Publishings zukünftig hingeht.
Im Rahmen von BookRix Selected gewährt das Unternehmen ausgewählten Autoren einen finanziellen Vorschuss für das nächste via BookRix veröffentlichte eBook. Die geleisteten Vorschüsse werden dann mit Einnahmen aus zukünftigen eBook-Verkäufen verrechnet, so wie es bei klassischen Verlagsvorschüssen üblich ist.
Vielversprechende Autoren kommen dank des Programms zugleich in den Genuss der Freiheiten des Self-Publishings (Selbstbestimmung) und der Vorzüge eines klassischen Verlags (Verlagsvorschüsse = finanzielle Sicherheit).
Dazu BookRix-Gründer und CEO Gunnar Siewert: „Wir verbinden mit BookRix Selected das Beste aus beiden Welten und bieten Autoren die Vorteile des Self-Publishings und eines klassischen Verlages aus einer Hand.“
Vertrauensvorschuss – BookRix möchte Autoren nachhaltig aufbauen und mit der Zahlung von Autorenvorschüssen ganz klar signalisieren, dass man auf eine langfristige Zusammenarbeit setzt. Im Generellen ist das Programm ein klares Bekenntnis zur Förderung von Qualität und Nachhaltigkeit im Self-Publishing-Markt.
Über BookRix:
Als etablierter Anbieter von Self-Publishing-Services ermöglicht BookRix unabhängigen Autoren ihre eBooks professionell zu vertreiben und in allen relevanten Online-Shops wie z.B. Amazon, iTunes, Weltbild, ebook.de und Thalia zum Verkauf anzubieten. Mit über 500.000 registrierten Usern betreibt BookRix zudem die größte internationale Online-Community rund um eBooks und Self-Publishing und bietet Autoren somit gleichzeitig eine Plattform für Promotion und Lesergewinnung. Der gesamte Service von der eBook-Erstellung bis hin zur Distribution an die Shops ist für alle Autoren kostenlos.
Quelle: Pressemitteilung BookRix vom 23.9.13 per eMail
Sonntag, 22. September 2013
K wie kurzweilig ???
„K“ lautet der Titel von Tom McCarthys drittem Roman. Warum K ? Der Protagonist heißt Serge Karrefax. Auch die einzelnen Kapitelüberschriften beginnen mit dem Buchstaben K. Kommunikation, Kohlenstoff, Kunst, Ka, Kode … überhaupt spielt der Buchstabe K bzw. Wörter, die mit einem K beginnen, eine zentrale Rolle in diesem Roman.
Karrefax kommt im Jahr 1898 mit einer Kappe zur Welt, d.h. die Fruchtblase bedeckt seinen Kopf. Angeblich ein Vorzeichen für ein glückliches Leben. Seine Kindheit ist wenig spektakulär. Sein Vater leitet eine Schule für Gehörlose, seine Mutter betreibt auf dem Landgut eine Seidenspinnerei. Die Schwester Sophie interessiert sich für Biologie und studiert Insekten. Karrefax verbringt seine Zeit mit der noch jungen Technik des Funkens. Nächtelang sitzt er an seiner Funkanalage und morst.
K ist trotz dieses klassischen Anfangs kein Bildungs- oder Entwicklungsroman. Karrefax hat zwar ein intensives Interesse an der Funktechnik, die ihn sein gesamtes Leben begleiten wird, aber er verfolgt keinen zielgerichteten Lebensplan, um seine profunden Kenntnisse auch beruflich zu nutzen. Er ergreift lediglich sich zufällig bietende Gelegenheiten, die überdies von anderen an ihn herangetragen werden.
Übrigens hat Tom McCarthy, der nicht nur Schriftsteller, sondern „Allround-Künstler“ ist und sich auch durch seine Installationen einen Namen gemacht hat, im Londoner Institute for Contemporary Art zerstückelte Texte u.a. über Radiofrequenzen versendet. Eine biographische Erklärung für den Stellenwert der Funktechnologie im Roman?
Die Geschwister Serge und Sophie Karrefax haben eine sehr innige Beziehung. Im Nachwort beklagt der Übersetzer, dass sich das Wortspiel „insect … incest …, bei dem im Englischen nur der Buchstabe C mit dem schwesterlichen S den Platz wechselt“, durch den Austausch des Buchstaben C durch den Buchstaben K nicht abbilden lässt. Der Inzest wird indes nur angedeutet. Am Schluss, aber auch das bleibt uneindeutig, begeht die Schwester Selbstmord.
Im tschechischen Bad Klodebrady versucht Karrefax, seine chronische Verstopfung zu kurieren. Um ihn herum mehren sich die Anzeichen für das bevorstehende Gemetzel des Ersten Weltkrieges, ohne dass er sich dessen bewusst wird. Eine Stimmung wie am Ende von Manns Zauberberg wird geschildert. Und schon sitzt Karrefax im Kapitel „Krieg“ als Funkaufklärer in einem Doppeldecker, nimmt Kokain und rezitiert Hölderlin, während er Deutsche mit dem Bordmaschinengewehr tötet. Die Beschreibung der Schlachtfelder und der verwesenden Leichen erinnert in ihrem schrecklichen Realismus an Jüngers Stahlgewitter.
Nach dem Krieg studiert der Antiheld Architektur in London, eine reine Verlegenheitslösung, und taucht ein in das wilde Treiben der Roaring Twenties. Er lernt eine Schauspielerin kennen. Partys, intensiver Heroin- und Kokainkonsum sowie Séancen prägen die Londoner Zeit. Fast wird ihm der raushafte Lebenswandel zum Verhängnis, da vermittelt ihm der Vater eine Stelle als Beamter beim Ministerium für Kommunikation in Ägypten.
Ägypten ist gerade dabei, sich aus dem britischen Empire zu lösen. Karrefax soll helfen, die „imperiale Kommunikation“, gemeint sind Funksendeanlagen, aufrecht zu erhalten. Stattdessen entdeckt er sein Interesse an altägyptischer Mythologie und steigt in Grabkammern hinab. Das vierte Kapitel heißt „Kammer“. Am Ende bleiben Fieberphantasien, die an Kafkas Gregor Samsa erinnern.
Nach dem Autor kennt wohl der Übersetzer den Roman am besten. Bernhard Robben spricht in einem ZEIT-Interview von „Bedeutungsschichten“ im Roman und meint, dass „K“ „in uns Lesern eine schon fast süchtig machende Lust auf Spurensuche auslösen, Spuren, die zudem über den Roman hinaus auf zahlreiche Schriften der Weltliteratur verweisen, etwa auf Werke von Charles Dickens, Vladimir Nabokov, Ernst Jünger, Filippo Tommaso Marinetti, Martin Heidegger, George Bataille, Sigmund Freud, Franz Kafka, E. M. Forster, Ovid, James Joyce, Sophokles, Friedrich Hölderlin, die Bibel und viele mehr.“ Ähnlich äußert er sich übrigens auch im Nachwort.
Natürlich entdeckt man die ein oder andere literarische Anspielung - siehe meine Anmerkungen zu Mann, Jünger und Kafka. Aber Suchtpotenzial? Dass ist wohl übertrieben. Mein Leseerlebnis war nämlich ein ganz anderes. Wenn es mal spannend wurde, die Handlung vorankam und der Protagonist zu einer lebendigen Person wurde, dann stoppt der Autor den Lesefluss abrupt. Sich über viele Seiten hinziehende, äußerst langatmige Beschreibungen eines Historienspiels oder einer Séance, ausführliche, fast wissenschaftliche Abhandlungen zur Funktechnologie und zur Ortung deutscher Artilleriestellungen, detaillierte Berichte zur politischen Situation des Nahen Ostens und ausführliche Schilderungen des altägyptischen Pantheons … da muss man sich als Leser erst mal durchquälen. Andererseits sind der Wissensfundus des Autors sowie seine sprachliche und erzählerische Kompetenz, insbesondere auch die des Übersetzers, wirklich anerkennenswert.
Zurück zur Ausgangsfrage: K wie kurzweilig? Nein, auf gar keinen Fall! Langweilig fängt zwar nicht mit dem Buchstaben K an, aber trifft es eher.
Tom McCarthy: K
aus dem Englischen von Bernhard Robben
Verlag DVA Belletristik 2012
480 S.
ISBN: 978-3-421-04489-1
24,99 Euro
Karrefax kommt im Jahr 1898 mit einer Kappe zur Welt, d.h. die Fruchtblase bedeckt seinen Kopf. Angeblich ein Vorzeichen für ein glückliches Leben. Seine Kindheit ist wenig spektakulär. Sein Vater leitet eine Schule für Gehörlose, seine Mutter betreibt auf dem Landgut eine Seidenspinnerei. Die Schwester Sophie interessiert sich für Biologie und studiert Insekten. Karrefax verbringt seine Zeit mit der noch jungen Technik des Funkens. Nächtelang sitzt er an seiner Funkanalage und morst.
K ist trotz dieses klassischen Anfangs kein Bildungs- oder Entwicklungsroman. Karrefax hat zwar ein intensives Interesse an der Funktechnik, die ihn sein gesamtes Leben begleiten wird, aber er verfolgt keinen zielgerichteten Lebensplan, um seine profunden Kenntnisse auch beruflich zu nutzen. Er ergreift lediglich sich zufällig bietende Gelegenheiten, die überdies von anderen an ihn herangetragen werden.
Übrigens hat Tom McCarthy, der nicht nur Schriftsteller, sondern „Allround-Künstler“ ist und sich auch durch seine Installationen einen Namen gemacht hat, im Londoner Institute for Contemporary Art zerstückelte Texte u.a. über Radiofrequenzen versendet. Eine biographische Erklärung für den Stellenwert der Funktechnologie im Roman?
Die Geschwister Serge und Sophie Karrefax haben eine sehr innige Beziehung. Im Nachwort beklagt der Übersetzer, dass sich das Wortspiel „insect … incest …, bei dem im Englischen nur der Buchstabe C mit dem schwesterlichen S den Platz wechselt“, durch den Austausch des Buchstaben C durch den Buchstaben K nicht abbilden lässt. Der Inzest wird indes nur angedeutet. Am Schluss, aber auch das bleibt uneindeutig, begeht die Schwester Selbstmord.
Im tschechischen Bad Klodebrady versucht Karrefax, seine chronische Verstopfung zu kurieren. Um ihn herum mehren sich die Anzeichen für das bevorstehende Gemetzel des Ersten Weltkrieges, ohne dass er sich dessen bewusst wird. Eine Stimmung wie am Ende von Manns Zauberberg wird geschildert. Und schon sitzt Karrefax im Kapitel „Krieg“ als Funkaufklärer in einem Doppeldecker, nimmt Kokain und rezitiert Hölderlin, während er Deutsche mit dem Bordmaschinengewehr tötet. Die Beschreibung der Schlachtfelder und der verwesenden Leichen erinnert in ihrem schrecklichen Realismus an Jüngers Stahlgewitter.
Nach dem Krieg studiert der Antiheld Architektur in London, eine reine Verlegenheitslösung, und taucht ein in das wilde Treiben der Roaring Twenties. Er lernt eine Schauspielerin kennen. Partys, intensiver Heroin- und Kokainkonsum sowie Séancen prägen die Londoner Zeit. Fast wird ihm der raushafte Lebenswandel zum Verhängnis, da vermittelt ihm der Vater eine Stelle als Beamter beim Ministerium für Kommunikation in Ägypten.
Ägypten ist gerade dabei, sich aus dem britischen Empire zu lösen. Karrefax soll helfen, die „imperiale Kommunikation“, gemeint sind Funksendeanlagen, aufrecht zu erhalten. Stattdessen entdeckt er sein Interesse an altägyptischer Mythologie und steigt in Grabkammern hinab. Das vierte Kapitel heißt „Kammer“. Am Ende bleiben Fieberphantasien, die an Kafkas Gregor Samsa erinnern.
Nach dem Autor kennt wohl der Übersetzer den Roman am besten. Bernhard Robben spricht in einem ZEIT-Interview von „Bedeutungsschichten“ im Roman und meint, dass „K“ „in uns Lesern eine schon fast süchtig machende Lust auf Spurensuche auslösen, Spuren, die zudem über den Roman hinaus auf zahlreiche Schriften der Weltliteratur verweisen, etwa auf Werke von Charles Dickens, Vladimir Nabokov, Ernst Jünger, Filippo Tommaso Marinetti, Martin Heidegger, George Bataille, Sigmund Freud, Franz Kafka, E. M. Forster, Ovid, James Joyce, Sophokles, Friedrich Hölderlin, die Bibel und viele mehr.“ Ähnlich äußert er sich übrigens auch im Nachwort.
Natürlich entdeckt man die ein oder andere literarische Anspielung - siehe meine Anmerkungen zu Mann, Jünger und Kafka. Aber Suchtpotenzial? Dass ist wohl übertrieben. Mein Leseerlebnis war nämlich ein ganz anderes. Wenn es mal spannend wurde, die Handlung vorankam und der Protagonist zu einer lebendigen Person wurde, dann stoppt der Autor den Lesefluss abrupt. Sich über viele Seiten hinziehende, äußerst langatmige Beschreibungen eines Historienspiels oder einer Séance, ausführliche, fast wissenschaftliche Abhandlungen zur Funktechnologie und zur Ortung deutscher Artilleriestellungen, detaillierte Berichte zur politischen Situation des Nahen Ostens und ausführliche Schilderungen des altägyptischen Pantheons … da muss man sich als Leser erst mal durchquälen. Andererseits sind der Wissensfundus des Autors sowie seine sprachliche und erzählerische Kompetenz, insbesondere auch die des Übersetzers, wirklich anerkennenswert.
Zurück zur Ausgangsfrage: K wie kurzweilig? Nein, auf gar keinen Fall! Langweilig fängt zwar nicht mit dem Buchstaben K an, aber trifft es eher.
Tom McCarthy: K
aus dem Englischen von Bernhard Robben
Verlag DVA Belletristik 2012
480 S.
ISBN: 978-3-421-04489-1
24,99 Euro
Freitag, 13. September 2013
Der Fall D. – Eine Stalkerin packt aus … Lohnt sich die Lektüre?
Am Anfang steht die Frage: Warum liest man ein Buch über das Thema Stalken?
Ein Freund von mir wurde auch schon gestalkt, und ich habe miterlebt, wie ihm das Leben zur Hölle gemacht wurde ... Das Buch versprach, beide Seiten zu Wort kommen zu lassen: Täter und Opfer. Denn im Vorwort heißt es: „Als wir, Daniela und ich, im Sommer 2007 mit der Arbeit an diesem Buch begannen“, war ich unsicher, wohin diese Reise führen würde …“ Zwei Frauen, die zusammen ein Buch schreiben, über ihre Beziehung zueinander und vor allem über die Krankheit der einen, das klingt interessant.
Im Vorwort erwähnt die Autorin ein Print-Buch, gemeint ist wohl das im August 2008 Buch „Danielas Männer: Interview mit einer Stalkerin“, und stellt eine neuerliche Auseinandersetzung mit dem Thema, das schließlich in Form des Kindle eBooks erschienen ist, in Aussicht. Laut amazon ist das eBook seit Juli 2011 gelistet.
Zum Inhalt von Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
:
Eva verliert ihre Jugendliebe Tim an die Stalkerin Daniela und freundet sich dann mit dieser Frau im Jahr 1987 an.
Ausführlich schildert Daniela ihr gesamtes Leben, vom Kindergarten bis ins Jahr 2007. Daniela schreibt: „Ich will es nicht schön reden, nicht entschuldigen, aber ich will versuchen mehr Verständnis und Klarheit über mich selbst zu erlangen …“ oder „ich will hier nicht den armen Psycho herauskehren, der sein krankhaftes Handeln in die Verantwortung des ach so schlimmen Elternhauses legt. Es wäre zu bequem und zu gemütlich …“. Doch dann geschieht genau das: Daniela stellt sich selbst ausführlich als Opfer dar:
Das beginnt mit der Familie. Der cholerische Vater, die zu Gefühlsäußerungen unfähige Mutter sowie die an ihr uninteressierten Brüder … Dann folgt die Zurückweisung durch ihre Schulkameraden und Lehrer … sie verletzt sich selbst … sie wird von einem antisemitischen Mitschüler gedemütigt (ihr Vater ist der Sohn jüdischer Eltern, die Familie ist aber protestantisch).
Mit 11 „verliebt“ sie sich in den 16-jährigen Bruder einer Freundin, der dies sexuell ausnutzt. Ob tatsächlich eine Vergewaltigung stattfindet, bleibt letztendlich offen. Es folgt die Beziehung zum 15-jährigen Milosh, der einer Sinti und Roma-Familie angehört, die Daniela zurückweist. Als der Vater des Jungen dessen Mutter erschießt kommt Milosh zu Pflegeeltern. Daniela hat nach eigener Aussage bis heute Kontakt zu Milosh. Eva dagegen schreibt: Es sei nicht eindeutig, „ob es sich bei diesem Zigeunerjungen um eine imaginäre Liebe handelt oder ob es ihn tatsächlich gegeben hat“.
Es folgen eine Abtreibung, Magersucht, ein halbes Jahr in einem israelischen Kibuz und, und, und … Schließlich heiratet Daniela 1989 Evas Exfreund Tim und bekommt bald eine Tochter. Immerhin hält diese Ehe 14 Jahre, bis eine neue „Liebe“ dazwischen kommt. Es folgen unzählige desaströse Kurzbeziehungen und noch eine unglückliche zweijährige Ehe.
2007 ist es schließlich Maik, ein junger Witwer aus dem weiteren Bekanntenkreis, den sie mit dem, was sie für Liebe hält, erdrückt. Detailliert wird geschildert, wie Daniela Maik mit SMSen, eMails und Telefonanrufen belästigt. Sie schleicht um sein Haus, verbreitet Gerüchte über ihn. Eine Stalkerattacke wie aus dem Lehrbuch.
Stalken hat verschiedene Erscheinungsformen. Ihr individuelles Krankheitsbild bringt Daniela selbst auf den Punkt: „Seit meiner frühsten Jugend drehen sich meine Gedanken nur um das andere Geschlecht, sie bestimmen meinen Tagesablauf, lassen andere Talente in mir verkümmern … Stalker wie ich sind Menschen, die anderen das Leben zur Hölle machen können. … Wenn sich der ganze Lebenssinn nur auf Dritte konzentriert, … wenn die Verlustängste und Trennungsschmerzen zum einzigen Lebensinhalt werden, hat keine Normalität … mehr Platz.“
Am Ende des Buches bricht Eva mit der Freundin und rechnet gnadenlos mit ihr ab: „Was mich zweifeln lässt an Danielas Krankheit und angeblicher Sucht, ist die Tatsache, dass sie diese von jetzt auf gleich in den Griff bekommt, sobald es ans Geld geht. … Als medizinischer Laie stelle ich mir vor, dass ein Mensch, der unter Zwangsverhalten leidet, dies nicht einfach abstellen kann und dass es ihm reichlich egal ist, wie teuer ihn diese Sache zu stehen kommt.“ Dann folgen Stellungnahmen von Stalkingopfern, und Eva stellt die kriminelle Seite des Stalkens in den Vordergrund.
Die Geschichte wird stets aus zwei Perspektiven geschildert. Die Stalkerin Daniela erzählt ihr Leben. Danielas Schilderungen werden von Eva reflektiert und teilweise in ihrem Wahrheitsgehalt angezweifelt. Es gibt keinen chronologischen Ablauf, sondern ein häufiger Zeitenwechsel. Kursiv gesetzte Einschübe aus Tagebuchaufzeichnungen, eMails etc. werden unkommentiert dazwischengeschoben.
Kein auktorialer Erzähler, sondern zwei Ich-Erzähler. Das suggeriert Authentizität. Dabei sind die sich gegenüberstehenden Passagen sprachlich so ähnlich,dass die Vermutung nahe liegt, dass hier eine Autorin am Werk war.
Beim Kindle eBook gibt es keine Angaben zur Autorin, lediglich bei der Print-Version wird man hier fündig: „Die freie Journalistin und Autorin, die unter dem Pseudonym Eva Jarnowsky schreibt, veröffentlicht regelmäßig Kolumnen und Artikel in einer großen Wochenzeitschrift und war in den letzten 10 Jahren als Ghostwriterin an der Entstehung mehrerer Bücher beteiligt.“
Diese Aussagen mögen zutreffen oder auch nicht. Sprachliche Versiertheit ist vorhanden, die Struktur des Buches ist dagegen weniger professionell. Der Inhalt ist völlig belanglos. Zu dick aufgetragen, zu einfache Lösungen.
Fazit: Die Lektüre war weder spannend, noch hat sie irgendetwas Neues oder Interessantes zum Verständnis des Themas beigetragen. Dieses Buch lohnt sich nicht!
Jarnowsky, Eva
Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
Kindle Edition
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 169 Seiten
ASIN: B005FG64K4
EURO 2,68
Ein Freund von mir wurde auch schon gestalkt, und ich habe miterlebt, wie ihm das Leben zur Hölle gemacht wurde ... Das Buch versprach, beide Seiten zu Wort kommen zu lassen: Täter und Opfer. Denn im Vorwort heißt es: „Als wir, Daniela und ich, im Sommer 2007 mit der Arbeit an diesem Buch begannen“, war ich unsicher, wohin diese Reise führen würde …“ Zwei Frauen, die zusammen ein Buch schreiben, über ihre Beziehung zueinander und vor allem über die Krankheit der einen, das klingt interessant.
Im Vorwort erwähnt die Autorin ein Print-Buch, gemeint ist wohl das im August 2008 Buch „Danielas Männer: Interview mit einer Stalkerin“, und stellt eine neuerliche Auseinandersetzung mit dem Thema, das schließlich in Form des Kindle eBooks erschienen ist, in Aussicht. Laut amazon ist das eBook seit Juli 2011 gelistet.
Zum Inhalt von Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
Eva verliert ihre Jugendliebe Tim an die Stalkerin Daniela und freundet sich dann mit dieser Frau im Jahr 1987 an.
Ausführlich schildert Daniela ihr gesamtes Leben, vom Kindergarten bis ins Jahr 2007. Daniela schreibt: „Ich will es nicht schön reden, nicht entschuldigen, aber ich will versuchen mehr Verständnis und Klarheit über mich selbst zu erlangen …“ oder „ich will hier nicht den armen Psycho herauskehren, der sein krankhaftes Handeln in die Verantwortung des ach so schlimmen Elternhauses legt. Es wäre zu bequem und zu gemütlich …“. Doch dann geschieht genau das: Daniela stellt sich selbst ausführlich als Opfer dar:
Das beginnt mit der Familie. Der cholerische Vater, die zu Gefühlsäußerungen unfähige Mutter sowie die an ihr uninteressierten Brüder … Dann folgt die Zurückweisung durch ihre Schulkameraden und Lehrer … sie verletzt sich selbst … sie wird von einem antisemitischen Mitschüler gedemütigt (ihr Vater ist der Sohn jüdischer Eltern, die Familie ist aber protestantisch).
Mit 11 „verliebt“ sie sich in den 16-jährigen Bruder einer Freundin, der dies sexuell ausnutzt. Ob tatsächlich eine Vergewaltigung stattfindet, bleibt letztendlich offen. Es folgt die Beziehung zum 15-jährigen Milosh, der einer Sinti und Roma-Familie angehört, die Daniela zurückweist. Als der Vater des Jungen dessen Mutter erschießt kommt Milosh zu Pflegeeltern. Daniela hat nach eigener Aussage bis heute Kontakt zu Milosh. Eva dagegen schreibt: Es sei nicht eindeutig, „ob es sich bei diesem Zigeunerjungen um eine imaginäre Liebe handelt oder ob es ihn tatsächlich gegeben hat“.
Es folgen eine Abtreibung, Magersucht, ein halbes Jahr in einem israelischen Kibuz und, und, und … Schließlich heiratet Daniela 1989 Evas Exfreund Tim und bekommt bald eine Tochter. Immerhin hält diese Ehe 14 Jahre, bis eine neue „Liebe“ dazwischen kommt. Es folgen unzählige desaströse Kurzbeziehungen und noch eine unglückliche zweijährige Ehe.
2007 ist es schließlich Maik, ein junger Witwer aus dem weiteren Bekanntenkreis, den sie mit dem, was sie für Liebe hält, erdrückt. Detailliert wird geschildert, wie Daniela Maik mit SMSen, eMails und Telefonanrufen belästigt. Sie schleicht um sein Haus, verbreitet Gerüchte über ihn. Eine Stalkerattacke wie aus dem Lehrbuch.
Stalken hat verschiedene Erscheinungsformen. Ihr individuelles Krankheitsbild bringt Daniela selbst auf den Punkt: „Seit meiner frühsten Jugend drehen sich meine Gedanken nur um das andere Geschlecht, sie bestimmen meinen Tagesablauf, lassen andere Talente in mir verkümmern … Stalker wie ich sind Menschen, die anderen das Leben zur Hölle machen können. … Wenn sich der ganze Lebenssinn nur auf Dritte konzentriert, … wenn die Verlustängste und Trennungsschmerzen zum einzigen Lebensinhalt werden, hat keine Normalität … mehr Platz.“
Am Ende des Buches bricht Eva mit der Freundin und rechnet gnadenlos mit ihr ab: „Was mich zweifeln lässt an Danielas Krankheit und angeblicher Sucht, ist die Tatsache, dass sie diese von jetzt auf gleich in den Griff bekommt, sobald es ans Geld geht. … Als medizinischer Laie stelle ich mir vor, dass ein Mensch, der unter Zwangsverhalten leidet, dies nicht einfach abstellen kann und dass es ihm reichlich egal ist, wie teuer ihn diese Sache zu stehen kommt.“ Dann folgen Stellungnahmen von Stalkingopfern, und Eva stellt die kriminelle Seite des Stalkens in den Vordergrund.
Die Geschichte wird stets aus zwei Perspektiven geschildert. Die Stalkerin Daniela erzählt ihr Leben. Danielas Schilderungen werden von Eva reflektiert und teilweise in ihrem Wahrheitsgehalt angezweifelt. Es gibt keinen chronologischen Ablauf, sondern ein häufiger Zeitenwechsel. Kursiv gesetzte Einschübe aus Tagebuchaufzeichnungen, eMails etc. werden unkommentiert dazwischengeschoben.
Kein auktorialer Erzähler, sondern zwei Ich-Erzähler. Das suggeriert Authentizität. Dabei sind die sich gegenüberstehenden Passagen sprachlich so ähnlich,dass die Vermutung nahe liegt, dass hier eine Autorin am Werk war.
Beim Kindle eBook gibt es keine Angaben zur Autorin, lediglich bei der Print-Version wird man hier fündig: „Die freie Journalistin und Autorin, die unter dem Pseudonym Eva Jarnowsky schreibt, veröffentlicht regelmäßig Kolumnen und Artikel in einer großen Wochenzeitschrift und war in den letzten 10 Jahren als Ghostwriterin an der Entstehung mehrerer Bücher beteiligt.“
Diese Aussagen mögen zutreffen oder auch nicht. Sprachliche Versiertheit ist vorhanden, die Struktur des Buches ist dagegen weniger professionell. Der Inhalt ist völlig belanglos. Zu dick aufgetragen, zu einfache Lösungen.
Fazit: Die Lektüre war weder spannend, noch hat sie irgendetwas Neues oder Interessantes zum Verständnis des Themas beigetragen. Dieses Buch lohnt sich nicht!
Jarnowsky, Eva
Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
Kindle Edition
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 169 Seiten
ASIN: B005FG64K4
EURO 2,68
Dienstag, 10. September 2013
Freundschaft, Angst und Schicksal
Mit „Rausgekickt: Blaue Vögel“ hat die Willicher Autorin Vera Nentwich den zweiten Teil ihrer Romanserie vorgestellt. Erzählt wird die Geschichte von zwei Schicksalsboten, die sich durch ihren harten Job kämpfen und dabei auf die überängstliche Mechthild stoßen. Das Buch ist als Taschenbuch und eBook erhältlich.
Mechthild Gisbertz lebt mit ihren 44 Jahren ein zurückgezogenes Leben im Hause ihres tyrannischen Vaters. Überängstlich stolpert sie durch das Leben und gerät in eine Katastrophe nach der anderen. Sogar die Arbeit der Schicksalsboten, die ein Paar zu seinem Glück verhelfen wollen, wird dadurch empfindlich gestört. Also beschließen sie, Mechthild aus ihrem zurückgezogenen Leben zu holen und zu mehr Selbstvertrauen zu verhelfen. Das geht nicht ganz ohne Rückschläge. Und erst der Damenkegelclub „Die flotten Bienen“ könnte es zum Besseren wenden.
Vera Nentwich, 53, ist im Hauptberuf die geschäftsführende Gesellschafterin der coni Unternehmensberatung GmbH. Sie schreibt seit vielen Jahren Geschichten, Kolumnen und Songs. „Rausgekickt: Blaue Vögel“ ist ihr zweiter Roman aus der Rausgekickt-Reihe.
Hier geht´s zum eBook und Taschenbuch bei Amazon: Rausgekickt: Blaue Vögel
Weitere Informationen unter http://www.rausgekickt.de
Quelle: Pressemitteilung von V. Nentwich vom 10.9.13
Besprechung des ersten Bandes bei "Bücher und eBooks": „Rausgekickt: Weiße Sterne: Das Schicksal will auch mal Spaß haben“
Mechthild Gisbertz lebt mit ihren 44 Jahren ein zurückgezogenes Leben im Hause ihres tyrannischen Vaters. Überängstlich stolpert sie durch das Leben und gerät in eine Katastrophe nach der anderen. Sogar die Arbeit der Schicksalsboten, die ein Paar zu seinem Glück verhelfen wollen, wird dadurch empfindlich gestört. Also beschließen sie, Mechthild aus ihrem zurückgezogenen Leben zu holen und zu mehr Selbstvertrauen zu verhelfen. Das geht nicht ganz ohne Rückschläge. Und erst der Damenkegelclub „Die flotten Bienen“ könnte es zum Besseren wenden.
Vera Nentwich, 53, ist im Hauptberuf die geschäftsführende Gesellschafterin der coni Unternehmensberatung GmbH. Sie schreibt seit vielen Jahren Geschichten, Kolumnen und Songs. „Rausgekickt: Blaue Vögel“ ist ihr zweiter Roman aus der Rausgekickt-Reihe.
Hier geht´s zum eBook und Taschenbuch bei Amazon: Rausgekickt: Blaue Vögel
Weitere Informationen unter http://www.rausgekickt.de
Quelle: Pressemitteilung von V. Nentwich vom 10.9.13
Besprechung des ersten Bandes bei "Bücher und eBooks": „Rausgekickt: Weiße Sterne: Das Schicksal will auch mal Spaß haben“
Mittwoch, 4. September 2013
Nein, kein moderner Simplizissimus, nur ein Opportunist, der sich verrechnet hat.
Der Roman Ein weißes Land von Sherko Fata beginnt im Irak der zwanziger und dreißiger Jahre. Ein Land , das dabei ist, sich nach dem Untergang des Osmanischen Reichs selbst zu finden und unter britischer Mandatsherrschaft steht.
Dem Straßenjungen Anwar sind die politischen Zusammenhänge fremd, allerdings versucht er die Veränderungen, die er mehr spürt als versteht, zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Er will im Leben vorankommen, er will in den „Schönen Häusern“ (so sind zwei Teile des Romans betitelt) leben: „Ich muss nicht einer jener vielen überflüssigen jungen Männer bleiben, die in Bagdad die Straßen säumten, vor Geschäften herumlungerten oder an den Straßen auf jemand warteten, der ihnen Arbeit für ein paar Stunden gab.“
Die Ich-Erzähler-Perspektive macht den Leser mit der inneren Verfassung des Antihelden Anwar und seiner opportunistischen Grundhaltung, die keine moralischen Prinzipien kennt, vertraut. So bleibt auch die dunkelste Regung Anwars nicht verborgen.
Da Anwar zwar mit einer gewissen Bauernschläue ausgestattet ist, die ihm immer wieder hilft, gefährliche Situationen zu meistern, es ihm aber an Intellektualität mangelt, schließt er sich Führern oder besser Verführern an:
Zunächst ist da Ezra, der Sohn eines reichen jüdischen Kaufmanns, der ihn in Kreise der Kommunisten und Zionisten einführt. Diese Ideenwelt ist Anwar zu kompliziert, auch sieht er hier keinen Vorteil für sein Vorankommen. Schnell wird er zum gelehrsamen Schüler Maliks, dem Anführer einer Bande von Kriminellen, die sich mit Diebstählen, aber auch mit Auftragsmorden über Wasser hält. Malik positioniert Anwar als Diener im Offizierscasino von Bagdad, dem Treffpunkt der antibritischen und zugleich antisemitischen Offiziere der irakischen Armee. Es währt nicht lange und Anwar wechselt die Seiten und verrät seinen Ziehvater Malik an Oberst Nidal, einen skrupellosen Machtmenschen, der sich Malik und seiner Bande für kriminelle Geschäfte bediente und nun den lästigen Mitwisser ermorden lässt. Loyalität und Prinzipientreue, das ist nichts für Anwar.
Sherko Fatah liest aus "Ein weisses Land"
(Quelle: YouTube)
Über Nidal kommt er mit dem Großmufti von Jerusalem, dem die Befreiung der arabischen Welt mit Hilfe des Dritten Reichs vorschwebt, in Kontakt und wird zu dessen Diener. Er anerkennt diesen hasserfüllten Antisemiten als seinen Führer und schläft sogar in hündischer Ergebenheit auf dessen Türschwelle. Die politische Einstellung des Großmufti ist denkbar simpel: „Nur die Deutschen können uns die Unabhängigkeit geben und nur sie können die Juden ins Meer treiben, die immer weiter daran arbeiten werden, die arabische Nation zu untergraben.“
Als der antibritische Aufstand in Bagdad scheitert, folgt Anwar dem Großmufti nach Berlin. Obwohl der Großmufti und seine Umgebung bald erkennen müssen, dass das Dritte Reich den Krieg verlieren wird, schickt er Anwar zur Waffen-SS. Dieser dient in einer islamischen Division, die aus Aserbaidschanern, Türken, Usbeken und Tataren besteht. In der Ukraine und Weißrussland, im „weißen Land“, bekämpfen die Moslems in den Uniformen der Waffen-SS Partisanen und ermorden unzählige Zivilisten in sogenannten Vergeltungsaktionen. Am Ende werden die jungen Männer auch bei der grausamen Niederschlagung des Warschauer Aufstandes eingesetzt.
Dass er rein gar nichts gelernt hat aus diesen Erlebnissen, zeigt sich als er 1955 in Bagdad sich wieder von Oberst Nidal und einem ehemaligen SS-Arzt instrumentalisieren lässt. Hatte man vorher noch bedingtes Verständnis für diesen Antihelden, bleibt angesichts dieser Uneinsichtigkeit nur noch entsetztes Kopfschütteln übrig.
In der Rezension des Cicero wird „Ein weißes Land“ als Schelmenroman und Anwar als neuer Simplizissimus beschrieben: „Anwar ist ein Simplicissimus des 20. Jahrhunderts, der wie sein historischer Vorgänger durch seine Epoche stolpert, ohne sie auch nur ansatzweise zu begreifen.“ Das ist eindeutig falsch. Simplicissimus "stolperte" einst ungebildet und naiv durch die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges und musste viel erleben und erleiden, bis seine Naivität überwunden war. Bei Anwar steht von Anfang an das Kalkül im Vordergrund. Er will Erfolg haben, auch wenn er einen Pakt mit dem Teufel schließen muss.
Zwar fehlt es diesem Antihelden an Bildung, aber nicht an intelligenten Grundeinsichten. Als eines Tages im Umfeld des Großmufti über die jüdische Weltverschwörung, die von „Konjunkturjuden, Finanzjuden und Ghettojuden“ gleichermaßen geplant vorangetrieben werde, diskutiert wird, stellt einer die zweifelnde Frage: „Wie können all diese Menschen das gleiche wollen?“ Anwar erkennt deutlich die Berechtigung dieser Frage, doch trotz besseren Wissens bleibt er seinem antisemitischen Anführer ergeben.
Allerdings gibt es auch eine emotionale Konstante in Anwars Leben, die nicht Opfer seines Opportunismus wird: Seine unerfüllte Liebe zu Mirjam, der Schwester von Ezra. Selbst in Berlin und an der Ostfront erhält er noch Briefe von ihr, was ihn gegenüber seiner antisemitischen Umgebung in Erklärungsnöte bringt. Die Liebe zur Jüdin hindert ihn auch nicht, Handlanger des Holocaust zu werden.
Der Autor, Sherko Fatah, wurde 1964 als Sohn einer Deutschen und eines irakischen Kurden in Ostberlin geboren. Er ist in der DDR, Wien und Westberlin aufgewachsen und besuchte oft die Heimat seines Vaters. Für seinen Debütroman Im Grenzland erhielt er 2001 den aspekte-Literaturpreis.
Fazit: „Ein weisses Land“ ist ein spannend zu lesender Abenteuerroman. Zum einen wird ein weitgehend unbekanntes Stück Weltgeschichte thematisiert, zum anderen wird ein zeitlos gültiger Opportunismus dargestellt, der letztendlich scheitert. Ein sehr lesenswerter Anti-Entwicklungsroman.
Sherko Fata
Ein weißes Land
480 Seiten
Luchterhand Literaturverlag (12. September 2011)
ISBN-10: 3630873715
ISBN-13: 978-3630873718
EURO 21,99
Dem Straßenjungen Anwar sind die politischen Zusammenhänge fremd, allerdings versucht er die Veränderungen, die er mehr spürt als versteht, zu seinem eigenen Vorteil nutzen. Er will im Leben vorankommen, er will in den „Schönen Häusern“ (so sind zwei Teile des Romans betitelt) leben: „Ich muss nicht einer jener vielen überflüssigen jungen Männer bleiben, die in Bagdad die Straßen säumten, vor Geschäften herumlungerten oder an den Straßen auf jemand warteten, der ihnen Arbeit für ein paar Stunden gab.“
Die Ich-Erzähler-Perspektive macht den Leser mit der inneren Verfassung des Antihelden Anwar und seiner opportunistischen Grundhaltung, die keine moralischen Prinzipien kennt, vertraut. So bleibt auch die dunkelste Regung Anwars nicht verborgen.
Da Anwar zwar mit einer gewissen Bauernschläue ausgestattet ist, die ihm immer wieder hilft, gefährliche Situationen zu meistern, es ihm aber an Intellektualität mangelt, schließt er sich Führern oder besser Verführern an:
Zunächst ist da Ezra, der Sohn eines reichen jüdischen Kaufmanns, der ihn in Kreise der Kommunisten und Zionisten einführt. Diese Ideenwelt ist Anwar zu kompliziert, auch sieht er hier keinen Vorteil für sein Vorankommen. Schnell wird er zum gelehrsamen Schüler Maliks, dem Anführer einer Bande von Kriminellen, die sich mit Diebstählen, aber auch mit Auftragsmorden über Wasser hält. Malik positioniert Anwar als Diener im Offizierscasino von Bagdad, dem Treffpunkt der antibritischen und zugleich antisemitischen Offiziere der irakischen Armee. Es währt nicht lange und Anwar wechselt die Seiten und verrät seinen Ziehvater Malik an Oberst Nidal, einen skrupellosen Machtmenschen, der sich Malik und seiner Bande für kriminelle Geschäfte bediente und nun den lästigen Mitwisser ermorden lässt. Loyalität und Prinzipientreue, das ist nichts für Anwar.
(Quelle: YouTube)
Über Nidal kommt er mit dem Großmufti von Jerusalem, dem die Befreiung der arabischen Welt mit Hilfe des Dritten Reichs vorschwebt, in Kontakt und wird zu dessen Diener. Er anerkennt diesen hasserfüllten Antisemiten als seinen Führer und schläft sogar in hündischer Ergebenheit auf dessen Türschwelle. Die politische Einstellung des Großmufti ist denkbar simpel: „Nur die Deutschen können uns die Unabhängigkeit geben und nur sie können die Juden ins Meer treiben, die immer weiter daran arbeiten werden, die arabische Nation zu untergraben.“
Als der antibritische Aufstand in Bagdad scheitert, folgt Anwar dem Großmufti nach Berlin. Obwohl der Großmufti und seine Umgebung bald erkennen müssen, dass das Dritte Reich den Krieg verlieren wird, schickt er Anwar zur Waffen-SS. Dieser dient in einer islamischen Division, die aus Aserbaidschanern, Türken, Usbeken und Tataren besteht. In der Ukraine und Weißrussland, im „weißen Land“, bekämpfen die Moslems in den Uniformen der Waffen-SS Partisanen und ermorden unzählige Zivilisten in sogenannten Vergeltungsaktionen. Am Ende werden die jungen Männer auch bei der grausamen Niederschlagung des Warschauer Aufstandes eingesetzt.
Dass er rein gar nichts gelernt hat aus diesen Erlebnissen, zeigt sich als er 1955 in Bagdad sich wieder von Oberst Nidal und einem ehemaligen SS-Arzt instrumentalisieren lässt. Hatte man vorher noch bedingtes Verständnis für diesen Antihelden, bleibt angesichts dieser Uneinsichtigkeit nur noch entsetztes Kopfschütteln übrig.
In der Rezension des Cicero wird „Ein weißes Land“ als Schelmenroman und Anwar als neuer Simplizissimus beschrieben: „Anwar ist ein Simplicissimus des 20. Jahrhunderts, der wie sein historischer Vorgänger durch seine Epoche stolpert, ohne sie auch nur ansatzweise zu begreifen.“ Das ist eindeutig falsch. Simplicissimus "stolperte" einst ungebildet und naiv durch die Geschichte des Dreißigjährigen Krieges und musste viel erleben und erleiden, bis seine Naivität überwunden war. Bei Anwar steht von Anfang an das Kalkül im Vordergrund. Er will Erfolg haben, auch wenn er einen Pakt mit dem Teufel schließen muss.
Zwar fehlt es diesem Antihelden an Bildung, aber nicht an intelligenten Grundeinsichten. Als eines Tages im Umfeld des Großmufti über die jüdische Weltverschwörung, die von „Konjunkturjuden, Finanzjuden und Ghettojuden“ gleichermaßen geplant vorangetrieben werde, diskutiert wird, stellt einer die zweifelnde Frage: „Wie können all diese Menschen das gleiche wollen?“ Anwar erkennt deutlich die Berechtigung dieser Frage, doch trotz besseren Wissens bleibt er seinem antisemitischen Anführer ergeben.
Allerdings gibt es auch eine emotionale Konstante in Anwars Leben, die nicht Opfer seines Opportunismus wird: Seine unerfüllte Liebe zu Mirjam, der Schwester von Ezra. Selbst in Berlin und an der Ostfront erhält er noch Briefe von ihr, was ihn gegenüber seiner antisemitischen Umgebung in Erklärungsnöte bringt. Die Liebe zur Jüdin hindert ihn auch nicht, Handlanger des Holocaust zu werden.
Der Autor, Sherko Fatah, wurde 1964 als Sohn einer Deutschen und eines irakischen Kurden in Ostberlin geboren. Er ist in der DDR, Wien und Westberlin aufgewachsen und besuchte oft die Heimat seines Vaters. Für seinen Debütroman Im Grenzland erhielt er 2001 den aspekte-Literaturpreis.
Fazit: „Ein weisses Land“ ist ein spannend zu lesender Abenteuerroman. Zum einen wird ein weitgehend unbekanntes Stück Weltgeschichte thematisiert, zum anderen wird ein zeitlos gültiger Opportunismus dargestellt, der letztendlich scheitert. Ein sehr lesenswerter Anti-Entwicklungsroman.
Sherko Fata
Ein weißes Land
480 Seiten
Luchterhand Literaturverlag (12. September 2011)
ISBN-10: 3630873715
ISBN-13: 978-3630873718
EURO 21,99
Die Kulturtechnik Lesen ... aus Sicht der Gehirnforschung.
"Aus prähistorischen Knochenfunden lässt sich ableiten, dass es Sprache seit etwa 100.000 Jahren gibt. Das Festhalten von Sprache mittels grafischer Zeichen ist etwa nur 5.000 Jahre alt. ... Eine Alphabetisierung großer Teile der europäischen Bevölkerung haben wir seit etwa 200 Jahren. Dies ist - aus evolutionärer Sicht - viel zu kurz für die Entwicklung eines auf Lesen spezialisierten Gehirnteils.
Lesen ist heute noch immer ... `eine Höchstleistung neuronaler Informationsverarbeitung, für die wir, ..., etwa so gut konstruiert sind, wie ein Traktor für ein Formel-1-Rennen` ... Lesen klappt, weil es Tausende von Stunden geübt wurde ... "
Zitiert aus: Robert K. Bidmon, Zur Psychologie des Werbetextens im Dialogmarketing, 2008.
Abonnieren
Posts (Atom)