Samstag, 27. Juli 2013

1913 – eine kleine Kulturgeschichte im Plauderton.

1913 war das Jahr, in welchem der junge Hitler durch den Schlosspark von Schönbrunn streifte und dabei (vielleicht) auf Stalin traf, während Erzherzog Ferdinand  sich im Schloss  nebenan seiner Modeleisenbahn widmete. Viel mehr politisches Personal lässt  Florian Illies in seinem Buch über das Jahr 1913 nicht auftreten. Die Schilderung der Zabern-Affäre und des Spionagefalls um Oberst Redl sind die wesentlichen politisch-historischen Teile des Buchs.

Der Autor, ein gelernter Kunsthistoriker und Feuilletonchef renommierter Zeitungen, legt mit deutlicher Sachkenntnis eine Kulturgeschichte des Jahres 1913 vor. Dabei geht es allerdings nicht um Kunsttheorie und die ganz großen Würfe der entstehenden Moderne in Musik,  Malerei und Literatur. En passant, im Plauderton lernen wir  die privaten Menschen hinter der Kunst  kennen.
Kafka, Jung, Kraus, Trakl, Schönberg, Kirchner, Kokoschka, Werfel, Mahler, Benn, Freud, Schnitzler, Mann und, und, und … alle, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts kulturschöpfend  und –prägend waren. Illies zitiert immer wieder aus Briefen und Tagebüchern  und gewährt so erstaunliche Einblicke in das Privat- und Gefühlsleben dieser Menschen. Zahlreiche witzige Anekdoten amüsieren den Leser.



Dieser Bilderbogen des Jahres 1913 mag wissenschaftlich keine neuen  Erkenntnisse liefern über die junge Moderne. Das legen schon die zahlreichen Monographien, die in der umfangreichen   Auswahlbibliographie am Ende des Werkes genannt werden, nahe.  Auch wäre es zu schlicht gedacht, in der Nachbetrachtung dem Jahr 1913, als dem Vorjahr vor der ersten großen Katastrophe des 20. Jahrhunderts, irgendeine höhere Bedeutung zuzuschreiben.
Für mich war 1913 eine  interessante und unterhaltsame Lektüre, die mir sowohl ein Zeitalter als auch Kunstströmungen wie Die Brücke oder Der blaue Reiter auf kurzweilige und spannende Art und Weise näher gebracht hat.

Fazit: empfehlenswert!

Illies, Florian
1913
Der Sommer des Jahrhunderts
S. Fischer Verlag, 2012
320 Seiten
ISBN-10: 3100368010
ISBN-13: 978-3100368010
19,99 EURO

Donnerstag, 25. Juli 2013

Selfpublishing: Viele Fragen, interessante Antworten ...

 Unter dem Titel "Aktuelle Studie zum Thema Selfpublishing" wurde auf "Bücher und eBooks" am 28.6.13 über eine aktuelle Umfrage bei Selfpublishern, d.h. bei den Autoren, berichtet.

In einem zweiten Schritt wurden nun Dienstleister im Bereich Selfpublishing befragt.

Neobooks, ePubli, BoD, Tredition, Xinxii, Beam, Feiyr, Mein-Bestseller und Monsenstein & Vannerdat standen Rede und Antwort zu zahlreichen Themen,  wie Dominanz von Amazon, Selfpublishing in Deutschland, Professionalisierung von Indieautoren, Honorarmodelle, eBook-Müll, Reaktion der Verlagswelt, Digital Rights Management u.v.m.

Die Umfrage ist in vier Teile gegliedert und wurde von buchreport.de und Die Self-Publisher-Bibel durchgeführt und auf deren Internetseiten veröffentlicht:

Teil 1

Teil 2

Teil 3


Teil 4
   


Sonntag, 21. Juli 2013

Ein wahrer Held. Eine Kurzgeschichte.

Walter lebt in einer schlichten Wohnung im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg. Er ist arbeitslos, schon seit 5 Jahren, und alleine, denn seine Familie hat ihn verlassen.

Eines Tages, auf dem Weg zum Arbeitsamt, muss er miterleben, wie eine Frau auf offener Straße verprügelt wird. Keiner der Passanten schreitet ein, alle gaffen nur. Walter will helfen, zögert, hat Angst. Dann löst er die Situation auf eine überraschend skurrile Art und Weise ...

Diese Kurzgeschichte um das Thema Zivilcourage umfasst 19 Seiten und wurde am 20.7.13 auf BookRix veröffentlicht. Die interessante  Handlung und die erstaunliche Wende am Schluss lassen über die formalen Schwächen, wie z.B. Tippfehler, hinwegsehen.

Gratis lesen bei BookRix: Ein wahrer Held.

Ralf von der Brelie
Ein wahrer Held
19 Seiten
BookRix 2013
gratis eBook

Dienstag, 16. Juli 2013

Sedwyla: Wer kennt dieses Städtchen nicht ?

"An einem unfreundlichen Novembertage wanderte ein armes Schneiderlein auf der Landstraße nach Goldach, einer kleinen reichen Stadt, die nur wenige Stunden von Seldwyla entfernt ist. Der Schneider trug in seiner Tasche nichts als einen Fingerhut, welchen er, in Ermangelung irgendeiner Münze, unablässig zwischen den Fingern drehte, wenn er der Kälte wegen die Hände in die Hosen steckte, und die Finger schmerzten ihm ordentlich von diesem Drehen und Reiben. Denn er hatte wegen des Fallimentes irgendeines Seldwyler Schneidermeisters seinen Arbeitslohn mit der Arbeit zugleich verlieren und auswandern müssen. Er hatte noch nichts gefrühstückt als einige Schneeflocken, die ihm in den Mund geflogen, und er sah noch weniger ab, wo das geringste Mittagbrot herwachsen sollte. Das Fechten fiel ihm äußerst schwer, ja schien ihm gänzlich unmöglich, weil er über seinem schwarzen Sonntagskleide, welches sein einziges war, einen weiten dunkelgrauen Radmantel trug, mit schwarzem Sammet ausgeschlagen, der seinem Träger ein edles und romantisches Aussehen verlieh, zumal dessen lange schwarze Haare und Schnurrbärtchen sorgfältig gepflegt waren und er sich blasser, aber regelmäßiger Gesichtszüge erfreute." Quelle: Gottfried Keller: Kleider machen Leute im Projekt Gutenberg

Der große Erzähler Gottfried Keller starb heute vor 123 Jahren.

Sonntag, 14. Juli 2013

Hartz 5 - Ein Hartz IV-Roman

So einen Hartz IV-Roman gab es noch nie. Hier lernt man nicht nur die kafkaesk anmutenden und teilweise entwürdigenden Bedingungen kennen, denen Hartz IV-Bezieher unterworfen sind. Hier gibt es auch die Erwerbsloseninitiative „Hartz 5“, deren Mitglieder die Jobcenterbürokratie mit unkonventionellen Methoden und anarchischem Witz aufmischen.



Ein informativer, authentischer und unterhaltsamer Roman über eines der großen sozialen Probleme unserer Zeit – und ein diebisches Lesevergnügen. Der 1955 geborene Autor ist Journalist (Schwerpunkt Sozialpolitik) und Mitarbeiter einer Erwerbslosengruppe. Viele der geschilderten Situationen haben sich so oder ähnlich tatsächlich zugetragen.


Printausgabe
Peter Hetzler: Hartz 5 – Ein Hartz IV-Roman
153 Seiten, Paperback, 9,90 Euro
ISBN 978-3-7322-3790-6
Books on Demand

eBook
Peter Hetzler: Hartz 5 – Ein Hartz IV-Roman
5,49 Euro, ISBN 9783848282784
Quelle: Pressemitteilung des Autors per eMail vom 2.713

Samstag, 6. Juli 2013

AWA 2013: Allensbach hat gefragt ... 26.000 haben geantwortet.

Seit 1959 erscheint jährlich die Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA). Die Studie befasst sich mit Einstellungen, Konsumgewohnheiten und Mediennutzung der Bevölkerung. Insgesamt wurden rund 26.000 mündlich-persönliche Interviews mit einem repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung ab 14 Jahre durchgeführt.

Die Ergebnisse zum Thema Buch und Buchmarkt (Auszug aus dem Kapitel Kultur, Bücher, Sprachen) im Überblick:

66,9% der Befragten lesen längere Texte lieber auf Papier

37,9% sind Vielleser, d.h. lesen täglich bis mehrmals die Woche

59,1% haben in den letzten 12 Monaten mindestens ein Buch gekauft

6 % haben in den letzten 12 Monaten ein eBook gekauft

5,2% besitzen einen eReader, 3,5% wollen einen kaufen

Freitag, 5. Juli 2013

Offen, ehrlich und schonungslos: "1948" von Yoram Kaniuk

Einer der erfolgreichsten israelischen Autoren, Yoram Kaniuk (gestorben am 8.Juni 2013), hat mehr als sechzig Jahre nach Ende des israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 seine Kriegserinnerungen zu Papier gebracht. Der bereits schwerkranke Yoram Kaniuk versuchte erfolgreich nach einer Nahtoderfahrung, die Gefühlswelt des unbedarften Siebzehnjährigen wieder entstehen zu lassen.



Yoram Kaniuk schloss sich 1948 dem paramilitärischen Palmach an, um Holocaustüberlebenden zu helfen, an Land zu kommen. Nicht ungefährlich, denn die britische Mandatsregierung wollte die jüdische Einwanderung - auch mit Waffengewalt - verhindern. Einige radikale jüdische Splittergruppen lieferten sich sogar einen blutigen Guerillakrieg mit der britischen Mandatsmacht.

Am 14. Mai 1948 lief das britische Mandat aus, und Ben Gurion erklärte die Unabhängigkeit Israels. Noch in der Nacht vom 14. Auf den 15. Mai fielen die Armeen der arabischen Nachbarstaaten Ägypten, Transjordanien, Syrien, Libanon und Irak über der neuen israelischen Staat her.

Und plötzlich war der Siebzehnjährige, dem das politische Bewusstsein für die Bedeutung der Staatsgründung allerdings völlig fehlte, Soldat: "Wir waren wie Kinder, geradezu unverschämt jung, hatten uns freiwillig gemeldet. Einfaltspinsel waren wir, Partisanen."

In der Nachbetrachtung nennt der Autor diesen Krieg einen "Kinderkreuzzug". Junge Männer, direkt von der Schulbank kommend, fast noch Kinder, die miserabel bewaffnet und ausgebildet waren, lieferten sich plötzlich Gefechte mit arabischen Armeen und Milizen. Schonungslos offenbart Yoram Kaniuk die von beiden Seiten verübten Gräueltaten.

Der Palmach zahlte einen hohen Blutzoll. Kampfunerfahrene Kommandeure ließen sich auf blutige, sinnlose Gemetzel ein. Besonders beeindruckend empfand ich die Beschreibung der Eroberung einer arabischen Stadt und der anschließenden Vertreibung der arabischen Bevölkerung, die bereits der Siebzehnjährige als Unrecht empfand. Dann übernahmen Holcaustüberlebende aus Europa die Stadt. Ganz selbstverständlich, ohne Skrupel besetzten sie das fremde Eigentum. Nach Deportation und Konzentrationslager sahen sie dies als eine Art Entschädigung für ihr Leiden. Der Siebzehnjährige ist in seinem Werturteil genauso ambivalent wie der Leser.

Der Krieg wird immer aus der Perspektive des Kämpfenden erzählt. Schonungslos offen wird dem Leser nichts erspart. Verstümmelte Leichen, abgestumpfte Kindersoldaten … es gibt keine heroischen Verklärungen. Der Autor benennt auch deutlich das Unrecht, das den arabischen Einwohnern zugefügt wurde. Mit seinen Kriegserinnerungen stellt sich der Autor offensiv gegen den Gründungsmythos des Staates Israel.

Ein schonungsloses Buch, das hilft, den Nahostkonflikt besser zu verstehen. Eine Lektüre, die ich nur empfehlen kann.


Kaniuk, Yoram
1948
Aufbau Verlag 2013
248 Seiten
ISBN 978-3-351-03523-5
19,99 €