Die Sandelholzstrafe von Mo Yan ist kein einfaches Buch. Mo Yan ist kein einfacher Autor. 2012 hat er den Literaturnobelpreis erhalten, und das rief heftige Kritik hervor: „Die Entscheidung für Mo Yan als diesjährigen Literaturnobelpreisträger ist eine gute - für China und für das dortige Regime. Anders als vor zwölf Jahren, als mit Gao Xingjian der bislang einzige chinesische Schriftsteller diese wichtigste literarische Auszeichnung erhielt, lebt Mo Yan nicht im Exil. Im Gegenteil: Er lebt nicht nur in China, er lebt dort vor allem die Rolle eines Intellektuellen, der zwar in seinen Romanen Kritik an der jüngeren chinesischen Vergangenheit übt, aber das stets in den Grenzen des zulässigen ideologischen Rahmens tut. Will sagen: Mo Yan benennt Fehler und Exzesse des kommunistischen Regimes, stellt es aber nicht in Frage.“ (FAZ 11.10.12).
Deutlicher wird Liao Yiwu, chinesischer Dissident und Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels, in einem Interview mit dem SPIEGEL. Er nannte Mo Yan einen Staatsdichter.
Der Roman spielt zur Zeit der Boxeraufstände um 1899 in der chinesischen Provinz Gaomi. Die historische Einordnung gelingt ohne Mühe, dann aber wird es kompliziert. Es sind zahlreiche Handlungsstränge, durch die sich der Leser kämpfen muss. Mehrere Hauptpersonen, der ständige Wechsel der Erzählperspektive und die ständigen Zeitsprünge erfordern hohe Konzentration.
Hauptakteur ist der rebellische Sun Bing, dessen Frau von einem deutschen Eisenbahningenieur belästigt wird. Aus diesem ganz persönlichen Anlass entschließt er sich zum Aufstand gegen die Deutschen und deren chinesischen Helfer. Sun Bing ist ein umherziehender Gaukler und Erneuerer der traditionellen "Katzenoper“. Nach einem Massaker führt er eine Bauernarmee gegen die Kolonialherren, die ausgerechnet über einen chinesischen Friedhof eine Eisenbahn bauen wollen.
Meiniang, Sun Bings Tochter, ist die Geliebte des Kreispräfekten Qian Ding. Verheiratet ist sie mit Xiaojia, dem etwas dümmlichen Schweine-und Hunde-Metzger. Dann taucht plötzlich Xiaojijs verschollener Vater auf. Zhao Jia ist der „Chefhenker“ des chinesischen Kaiserreichs. Er wird die Sandelholzstrafe an Sun Bing ausführen. Dem Verurteilten wird ein biegsamer Stab durch das Rektum eingeführt … bis er zum Mund wieder austritt. Das Leiden und Sterben dauert fünf Tage! Das Thema Hinrichtung und Folter nimmt überhaupt einen sehr breiten Raum im Roman ein. Der Leser sollte auf die sehr ausführliche und äußerst detaillierte Schilderung widerlichster Grausamkeiten gefasst sein.
Zwar sind die Einsichten in Alltagsleben, Religion, Gesellschaft und Politik des Chinas des beginnenden 20. Jahrhunderts äußerst interessant, aber der Eindruck der Gewaltdarstellungen überdeckt alles andere.
Die deutsche Exilliteratur zwischen 1933 und 1945 hat einige bedeutende historische Romane hervor gebracht. Dabei ging es aber zumeist um eine Abrechnung mit dem NS-Regime, indem historische Parallelen aufgezeigt wurden. Bei Mo Yan genügt sich der historische Hintergrund selbst. Um feudale Herrschaftsstrukturen oder eine grausame Missachtung der Menschenrechte zu beschreiben, wäre kein Ausflug in die chinesische Vergangenheit notwendig gewesen.
Fazit: Ausufernde Gewaltdarstellung, etwas (Katzenoper-)Exotik und keinerlei Gegenwartsbezug in einer Diktatur. Das Buch muss man nicht gelesen haben. Lieber die 24,99 EURO an Amnesty International spenden.
Yan, Mo
Die Sandelholzstrafe
Kindle Edition
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 651 Seiten
Insel Verlag; Auflage: Oktober 2012
ASIN: B009SLER92
EUR 24,99
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen