Freitag, 29. März 2013

„Kristof Kryszinski … so, wie man`s spricht!“ – logisch, wie auch sonst?

Von Jörg Juretzka, Krimiautor aus Mülheim an der Ruhr, kannte ich bisher nur „Platinblondes Dynamit“ und das Buch ist absoluter Trash in allerbesten Groschenroman-Stil. Das Buch macht einfach nur Spaß. Nach diesem Krimi wollte ich nun die Bekanntschaft einer weitern Romanfigur von Juretzka machen. „Kristof Kryszinski“ ist die Hauptfigur seiner Detektivserie, die unter Krimifans schon so einige Bekanntheit und Anerkennung genießt. Also ging ich los, das passende Einstiegsbuch zu besorgen. Der Klappentext versprach viele abgetrennte Köpfe, ein etwas spießiges Setting – nämlich ein Kreuzfahrtschiff – und ein paar skurrile Charaktere (Die sind sowieso auf einem Kreuzfahrtschiff anzutreffen. Wer macht denn sonst eine Kreuzfahrt?). Damit war die Entscheidung getroffen und „Equinox“ sollte das erste Buch werden, dass ich aus dieser Serie um den etwas anderen Privatdetektiv lesen wollte. Und um es vorwegzusagen, es wird wohl auch nicht das letzte der Reihe gewesen sein.



Juretzka, der 2012 mit dem Ruhrpreis der Stadt Mülheim ausgezeichnet wurde, schreibt rasant, witzig und spannend, alles, was man für einen guten kurzweiligen Krimi braucht. Der Privatdetektiv Kristof Kryszinski (so wie man spricht…) muss auf der Flucht vor der albanischen Mafia einen Job auf einem Kreuzfahrtschiff als Detektiv annehmen. Na ja, eigentlich wollte er vermutlich nur saufen und rumhuren, um es mal nett auszudrücken, aber kaum geht die Fahrt los, wird auch schon die erste enthauptete Leiche gefunden – was laut Schiffarzt ein ganz klarer Selbstmord war. Es wird selbstverständlich nicht nur bei einem Mord auf dieser Kreuzfahrt bleiben. Und so wird auch noch der eine oder andere Kopf rollen. Kryszinski findet sich in seinem nächsten Kriminalfall wieder, und die Zeit drängt. Denn das Schiff nähert sich auf seiner Fahrt einem mehrtägigen Funkloch ohne Handy und Internet und damit besteht kein Kontakt zur Außenwelt, um notfalls von den Behörden Hilfe anzufordern. Und dann haben es die Mörder auch noch auf Kryszinski selbst abgesehen. Der Fall muss aufgeklärt werden und die Auflösung ist genauso abstrus, wie die ganze Geschichte.

Viel mehr muss man zur Handlung nicht schreiben. Absurde Begebenheiten, lustige oder eher sehr kuriose Morde und genauso dubiose Charaktere am Bord der „Equinox“ machen diese Geschichte interessant und lesenswert. Viel schwarzer Humor und eine priese Sarkasmus tue das Übrige. Kryszinski ist ein Rüpel und liebenswertes Arschloch, ein Antiheld, den man gern haben, aber nicht unbedingt in seiner Nähe haben muss.

Jetzt wird es Zeit, noch mehr über den etwas anderen Privatdetektiv zu erfahren und in weitere seiner Fälle einzutauchen. Und, liebe Fernsehsender in Deutschland, die ihr so gerne eine neue Flop-Serie nach der Nächsten produziert: Hier liegt eine Vorlage, die alles liefert, was eine gute Fernsehserie braucht. Also, warum greift ihr nicht zu, anstatt irgendwelche amerikanische Serien billig und schlecht zu kopieren? Einfach mal Mut beweisen und loslegen, denn hier wird mal eine Geschichte geliefert, die einen interessanten mit einigen Kanten ausstaffierten Charakter liefert, der sich nicht so schnell abnutzt. Also zugreifen. Und wer mal einen schnell zu lesenden Krimi für zwischendurch braucht oder eine lange Zugfahrt überbrücken muss: Kryszinkis Fälle machen die Fahrt kurzweilig.

Carsten Behrendt, Mülheim an der Ruhr, Ostern 2013

Juretzka, Jörg
Equinox
287 Seiten
Ullstein 2003
ISBN-10: 3548256848
ISBN-13: 978-3548256849
EUR 8,99

Freitag, 22. März 2013

Johann Wolfgang von Goethe: Mignon

Johann Wolfgang von Goethe starb heute vor 181 Jahren, am 22.3.1832, in Weimar.


Quelle: YouTube.
Aus dem Goetheliederzyklus  des Nürnberger 
Komponisten Martin Scherber (1907-74).
Mignon
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!
Allein und abgetrennt
Von aller Freude,
Seh ich ans Firmament
Nach jener Seite.
Ach, der mich liebt und kennt,
Ist in der Weite.
Es schwindelt mir, es brennt
Mein Eingeweide.
Nur wer die Sehnsucht kennt,
Weiß, was ich leide!
Gedicht aus Wilhelm Meister. Quelle: Projekt Gutenberg, Spiegel 

Montag, 18. März 2013

12,6 Millionen Deutsche lesen eBooks?

Der BITKOM (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V.) hat 1.007 Personen (repräsentativ für die Gesamtbevölkerung) ab 14 Jahre befragen lassen: „Wenn Sie an Ihren persönlichen Medienkonsum denken: Bevorzugen Sie analoge bzw. physische Medienträger oder digitale und online verfügbare Inhalte? Bevorzugen Sie normale Bücher oder E-Books?

Die Ergebnisse im Überblick:
  • 18 Prozent aller Bundesbürger ziehen eBooks den gedruckten Büchern vor
  • 73 Prozent der Befragten bevorzugen dagegen gedruckte Bücher
  • 9 Prozent sind unentschlossen
Dann heißt es in der Pressemitteilung der BITKOM zu den 18 Prozent, die eBooks bevorzugen: "Das entspricht rund 12,6 Millionen Personen." Zum Vergleich: In 2012 gab der BITKOM noch an, dass 11 Prozent der Bundesbürger, 8 Millionen Menschen, elektronische Bücher nutzen.

Das klingt nach viel, ist aber im Verhältnis zum Umsatz noch eher gering: So hat  media control in einem knapp 100 Seiten umfassenden eBook-Jahresreport festgestellt, dass im Jahr 2012 rund 12,3 Millionen eBooks kostenpflichtig heruntergeladen wurden. Allerdings lag der Umsatzanteil der eBooks 2012 bei lediglich 2%.

Sonntag, 17. März 2013

Kalter Stahl - eine Kurzgeschichte

Gestapelte Schnapsgläser, fremdes Blut an Körper und Kleidung ... Sebastian kann sich nicht an die vergangene Nacht erinnern. Er weiß nur, dass sich etwas Schreckliches ereignet hat. "´Wieso habe ich Sie getötet?`, war sein erster Gedanke." Er ist verzweifelt und findet keine Antwort auf diese Frage ...
Der Leser wird Zeuge der Selbstreflexion des vermeintlichen Täters. In kurzen, prägnanten Sätzen und einer glasklaren Sprache schildert der Autor eindringlich die emotionale Verwirrung Sebastians. Am Ende erwartet den Leser eine überraschende Wendung. 

Mit "Kalter Stahl" hat Matthias Engelbertz, der an der Universität Wien Publizistik studiert,  eine überzeugende, unterhaltende und gekonnt geschriebene Kurzgeschichte vorgelegt. 

Jetzt gratis lesen auf BookRix: Kalter Stahl


Freitag, 15. März 2013

Erst witzig, dann ernst: Betreutes Trinken von Katinka Buddenkotte

„… ich habe es nur bis zu meinem Therapeuten geschafft. Der sitzt auf einem Barhocker hinter der Theke und poliert Gläser, während ich ihm mein Herz ausschütte … Toddy hat keine klassische Ausbildung genossen, weder als Barkeeper noch als Psychotherapeut. Dafür ist sein Honorar bescheiden, allerdings bekommt er das mit dem Zuhören noch nicht so richtig hin. Wenn man ihm ein Stichwort gibt, redet er die meiste Zeit selber, so auch jetzt …“ S.23

Diese Passage ist anschaulicher als jede Beschreibung. Denn genauso geht es auf nahezu 400 Seiten weiter: Witzig, pointiert, trocken und sprachlich gekonnt. Das Sprachtempo ist derart rasant, dass der Leser wie von einer Wortflut mitgerissen wird. Hier erkennt man deutlich die Wurzeln der Autorin als Poetry-Slammerin und ihre Tätigkeit als gefragte Kabarettistin.

Katinka Buddenkotte erzählt in "Betreutes Trinken" zahlreiche Geschichten, die vornehmlich an einem Ort spielen: in der abgefahrenen Musikkneipe „Dead Horst“ ... und im Hintergrund läuft Punk- und Rockmusik.


Die Antiheldin heißt Doris Kindermann, von allen nur Doki genannt. Sie ist 30 Jahre alt, Sozialarbeiterin im Jugendzentrum Anker und trauert ihrem Exfreund Gunnar nach. Sozialarbeiterin ist nun wirklich nicht ihr Traumberuf, der ganze Habitus ihrer Kollegen geht ihr auf die Nerven. Im Anker, einem Jugendzentrum, das hauptsächlich von Kindern aus wohlhabenden Familien genutzt wird, findet sie keine Erfüllung.

Umso lieber verbringt sie ihre Zeit im "Dead Horst". Sie trinkt gerne einen oder zwei oder auch mehr, trifft sich dort mit ihrer besten Freundin Katja und unterhält sich mit den anderen Gästen. Der wichtigste Stammgast, ein russischer Ex-Olympionike, sowie der DJ, die Barkeeperin, der Türsteher und der Wirt des „Dead Horst“ sind neben ihrer Freundin die wichtigsten Bezugspersonen. Als ihr Exfreund Gunnar als Fahrer und Manager einer schwulen finnischen Rockband im „Dead Horst“ auftaucht, glaubt sie an die wiederaufflammende erste und große Liebe.

Als der Inhaber des „Dead Horst“ zusammenbricht und Burn-out diagnostiziert wird, übernehmen die Stammgäste und das Personal die Kneipe. Sie zeigen vollen Arbeitseinsatz, um ihr „Wohnzimmer“ zu retten.

Die meisten Rezensionen zu „Betreutes Trinken“ empfehlen das Buch von Katinka Buddenkotte als Comedy-Roman und stellen den trockenen Humor in den Vordergrund. Dabei nimmt das Buch im letzten Drittel eine scharfe Wendung. Die Antiheldin erleidet nicht nur einen Unfall, sondern wird auch von ihren vermeintlichen Freunden zutiefst enttäuscht. Alles, was für sie die letzten Jahre wichtig war, löst sich auf. Aber keine Sorge, „Betreutes Trinken“ ist keine Tragödie, sondern ein guter, zeitgenössischer Unterhaltungsroman, denn am Ende steht für Doki ein Neuanfang.


Buddenkotte, Katinka
Betreutes Trinken
Albrecht Knaus Verlag 2012
381 Seiten
ISBN-10: 381350509X
ISBN-13: 978-3813505092
14,99 EURO

Donnerstag, 7. März 2013

Seit heute im Verkauf: tolino shine

Der tolino shine ist das Ergebnis des eReader-Projekts von vier großen deutschen Buchhändlern (Thalia, Weltbild, Hugendubel und Club Bertelsmann) und der Telekom.

Die technischen Daten:
  • 15,24 Zentimeter (6 Zoll)
  • HD E-Ink Display mit integrierter Beleuchtung
  • 1024×758 Pixel, 16 Graustufen
  • Infrarot Touchscreen
  • 183g leicht
  • Bis zu 7 Wochen Akkulaufzeit
  • 4 GB interner Speicher, erweiterbar auf 32 GB (Micro-SD)
  • 5 Schriftarten und 7 Schriftgrößen, E-Ink optimiert
  • Unterstützt die Formate ePub, .PDF und .TXT
Und das bietet die TelekomCloud:
  • 25 GB Speicher in der TelekomCloud für eigen eBooks (ePub, PDF)
  • eBooks automatisch in der TelekomCloud speichern
  • eBooks auf bis zu fünf Endgeräten lesen
  • Integriertes WLAN, um eBooks zu kaufen und zu surfen
  • Gratis HotSpot-Zugang an über 11.000 HotSpots in Deutschland
Gekaufte Inhalte werden in der TelekomCloud kostenlos gespeichert. Mit dem tolino shine stehen in den einzelnen Partnershops über 300.000 Titel und die größte Auswahl deutschsprachiger eBooks zur Verfügung. Die eBooks lassen sich drahtlos per wLAN zuhause, über die 11.000 kostenfrei nutzbaren  HotSpots der Telekom oder in den 1.500 Fachgeschäften der Partner in  Deutschland laden.

Es ist spannend,  ob die eBook-Allianz mit dem "Deutschen Kindle" Amazon Marktanteile abnehmen wird.

Quelle: tolino
Weiterführende Informationen:
Testbericht Tolino FOCUS, Testbericht lesen.net

Freitag, 1. März 2013

Eine irische Biographie? Der Traum des Kelten: Roman von Mario Vargas Llosa

Roger Casement, der Held von Llosas Roman, wurde 1864 als Sohn einer wohlhabenden protestantischen Familie in der Nähe von Dublin geboren. 1883 unternahm er seine erste Reise nach Afrika. Dort war er für ein Institut des belgischen Königs Leopold II. tätig.

Im Kongo lernte er den Afrikareisenden Henry Morton Stanley sowie Joseph Conrad kennen. 1892 wurde er britischer Diplomat und kehrte dann in den Kongo zurück, um einen Bericht zu verfassen, der drastisch die katastrophalen Zustände im Kongo schilderte. Zu dieser Zeit  lernte er auch den Journalisten Edmund Dene Morel kennen, der die Congo Reform Association gründete, die humanitäre Hilfe für die geknechteten Afrikaner im Kongo leistete. 1911 wurde Roger Casement für sein Wirken geadelt und erhielt den Titel Knight Commander of St. Michael and St. George. 

1910 schickte die britische Regierung Roger Casement ins peruanische Amazonasgebiet, um zu klären, ob das britisch-peruanische Kautschuk-Unternehmen des Julio Arana tatsächlich Massaker an der indianischen Bevölkerung verübte. Casement machte die grausamen Vorgänge publik und erreichte, dass Aranas Unternehmen geschlossen wurde.


1912 quittierte er schließlich den diplomatischen Dienst. Im Anschluss wurde er Mitglied der paramilitärischen Irish Volunteers, welche die irische Unabhängigkeit forderten. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges reiste er über die USA nach Deutschland, um deutsche Hilfe für Ireland zu organisieren. Sein Plan, eine Freiwilligenbrigade aus irischen Kriegsgefangenen zu rekrutieren, scheiterte jedoch.

Im Kriegsjahr 1916 kehrte er an Bord eines deutschen U-Bootes nach Irland zurück und wurde gleich nach der Landung verhaftet. Am Ostermontag, dem 24. April 1916, begann der irische Osteraufstand, der von den Briten blutig niedergeschlagen wurde. Roger Casement wurde wegen Hochverrats zum Tod verurteilt und am 3. August 1916 hingerichtet. 

Im Nachwort zählt der Autor die besuchten Archive in Deutschland, Belgien, Peru, Irland, den USA und im Kongo auf. Der historische Hintergrund scheint sehr gut recherchiert zu sein.

Der Roman beginnt in der Todeszelle des Pentonville Prison. Roger Casement geht in sich, zieht seine persönliche Lebensbilanz und erkennt Irrtümer und Fehler. Die Kapitel beschreiben abwechselnd das innere Resümee des Roger Casement in der Gefängniszelle und seinen biographischen Werdegang im Kongo, Amazonien und Deutschland.

Anfänglich ist er noch ein Anhänger der Kolonisation, da er hier eine zivilisatorische Zielsetzung zu erkennen meint, die die Eingeborenen aus ihrem Elend und ihrer Unvernunft führt. Doch bald sieht er ein, dass die weißen Herren nur von der Profitgier angetrieben werden, und wird zu einem Feind dieses Systems der Ausbeutung. Erstaunlich ist nur, dass er so wie er anfänglich die Beweggründe des belgischen Königs Leopold II. falsch einschätzt später an die Unterstützung der irischen Sache durch die Deutschen glaubt. Der Autor lässt hier einen Mann erscheinen, der trotz seiner ungeheuren Lebenserfahrung einem teilweisen naiven Idealismus anhängt und eben den „Traum des Kelten“ träumt.

Das Auspeitschen, das Abhacken von Händen, Füßen und Geschlechtsteilen, das Vergewaltigen, das Verschleppen von Kindern, das Foltern, die grausame Tötung von Eingeborenen – es ist im Kongo genau das gleiche wie in Amazonien. Aus Profitgier gehen die europäischen Herren über Leichen und haben noch nicht einmal Gewissensbisse. Im Detail beschreibt der Autor das entsetzliche Grauen und die ungeheuren Leiden der Eingeborenen. Die Zustände in Afrika und in Südamerika sind so ähnlich, dass sich die Schilderungen allerdings wiederholen.
Im Urwald des Amazonas-Gebietes kommt Roger Casement zu einer folgenschweren Schlussfolgerung: „Ich bin zu der absoluten Überzeugung gelangt, dass die Eingeborenen … ihrem Elend einzig dadurch ein Ende bereiten können, indem sie eine bewaffnete Erhebung gegen ihre Herrn durchführen. … Wir Iren sind … [k]olonisiert und ausgebeutet, und das bis in alle Ewigkeit, sofern wir weiter die Gesetze, Institutionen und Regierungen Englands hinnehmen. … Warum sollte das Imperium, das uns kolonisiert, uns die Freiheit schenken, wenn es nicht gewaltig unter Druck gesetzt und dazu gezwungen wird? Und solchen Druck können nur Waffen erzeugen.“
Im dritten Teil des Romans, mit „Irland“ überschrieben, quittiert Roger Casement den diplomatischen Dienst aus Gesundheitsgründen. Reist kreuz und quer über die irische Insel und wird zum radikalen Nationalisten. Er hält Vorträge, geht in die USA, um Geld für die Unabhängigkeitsbewegung zu sammeln und reist bei Kriegsausbruch nach Deutschland, um sich mit dem Feind Englands zu verbünden. Und hier beginnt das große Scheitern: Es gelingt ihm nicht, mehr als 50 irische Freiwillige unter den britischen Kriegsgefangenen anzuwerben, und die Deutschen halten ihre Unterstützungszusagen nur bedingt ein. Sein Gesundheitszustand verschlechtert sich rapide. Und als die Radikalen auch ohne deutsche Unterstützung einen Aufstand durchführen wollen, reist er auf einem deutschen U-Boot in seine Heimat, um das sicher erwartete Blutbad zu verhindern. Auch das gelingt ihm nicht.

Sein jugendlicher, norwegischer Geliebter wird obendrein von den Deutschen als britischer Spion enttarnt. Ausgerechnet die einzige Liebe seines Lebens, eine herbe Enttäuschung für Roger Casement. Bis dahin hatte er lediglich flüchtige, rein sexuelle Affären, nur dieses eine Mal war Liebe im Spiel. Und da sind wir dann bei einem sehr intimen Thema angelangt, das besonders in Roger Casements Tagebüchern zum Ausdruck kommt, die der britische Geheimdienst erfolgreich einsetzte, um ihn zu diffamieren. „Er, der formvollendete, eloquente Roger Casement, wurde bei seinen Tagebucheinträgen immer wieder von dem Drang überwältigt, die derbsten Obszönitäten zu Papier zu bringen.“ Diese „dunkle Aura der Homosexualität“ sorgte dafür, dass Roger Casement im erzkatholischen Irland viele Jahrzehnte nicht anerkannt wurde. Mario Vargas Llosa hat den persönlichen Eindruck, so schreibt er im Epilog, dass „Roger Casement diese berüchtigten Tagebücher zwar schrieb, aber das Geschriebene nicht gelebt hat, zumindest nicht alles …“ Egal, das ändert rein gar nichts an Roger Casements Einsatz für die indigenen Völker im Kongo und in Peru.

Sein Übertritt zum Katholizismus und sein irischer Nationalismus sind für einen deutschen Leser deutlich schwieriger nachzuvollziehen als seine humanitäre Grundhaltung. Aber auch das gehört zum Gesamtbild, das Mario Vargas Llosa von seinem „Helden“ sehr detailliert und auch liebevoll zeichnet. Man merkt, hier ist sehr viel Sympathie mit im Spiel.

Im Jahr 1965 wurden die sterblichen Überreste Roger Casements nach Irland überführt und eine „auf mehrere hunderttausend Menschen geschätzte Menge“ zog an seinem Sarg vorbei, um ihn zu ehren. 

Mario Vargas Llosa
Der Traum des Kelten
447 Seiten
Suhrkamp Verlag 2011
ISBN-10: 3518422707
ISBN-13: 978-351842270024,90 EURO