"`Hast du eine Lehre? Hast du einen Glauben, oder ein Wissen, dem du folgst, das dir leben und rechttun hilft?`
Sprach Siddhartha: `Du weißt, Lieber, daß ich schon als junger Mann, damals, als wir bei den Büßern im Walde lebten, dazu kam, den Lehren und Lehrern zu mißtrauen und ihnen den Rücken zu wenden. Ich bin dabei geblieben. Dennoch habe ich seither viele Lehrer gehabt. Eine schöne Kurtisane ist lange Zeit meine Lehrerin gewesen, und ein reicher Kaufmann war mein Lehrer, und einige Würfelspieler. Einmal ist auch ein wandernder Jünger Buddhas mein Lehrer gewesen; er saß bei mir, als ich im Walde eingeschlafen war, auf der Pilgerschaft. Auch von ihm habe ich gelernt, auch ihm bin ich dankbar, sehr dankbar. Am meisten aber habe ich hier von diesem Flusse gelernt, und von meinem Vorgänger, dem Fährmann Vasudeva. Es war ein sehr einfacher Mensch, Vasudeva, er war kein Denker, aber er wußte das Notwendige so gut wie Gotama, er war ein Vollkommener, ein Heiliger. [...] Weisheit ist nicht mitteilbar. Weisheit, welche ein Weiser mitzuteilen versucht, klingt immer wie Narrheit. [...] Von jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr!`" (S.112/113, zitiert nach der suhrkamp Taschenbuchausgabe 1.Auflage 1974)
Am Ende seines Lebens bringt Siddharta, der auf der Suche nach Erleuchtung und der Wahrheit viel Jahre gewandert ist und nun als Fährmann lebt, seine Einsichten auf den Punkt.
Auf die Abbildung klicken ...
Viele Jahre vor seinem Dasein als Fährmann begab sich der junge Brahmane Siddhartha gemeinsam mit seinem besten Freund Govinda auf die Suche nach dem Atman, der Seele. Die beiden experimentierten mit verschieden Wegen zur Erkenntnis. So wanderten sie als Bettelmönche umher. Dann wendeten sie sich Buddhas Lehren zu. Govinda beschloss, Buddha zufolgen. Siddhartha dagegen erkannte für sich, dass jeder seinen eigenen Weg finden muss.Er zog weiter, erlernte mit Hilfe einer Kurtisane die Kunst der Liebe und erwirtschaftete sich als Kaufmann ein Vermögen. Aber auch dieses Leben verließ er wieder. Erst als Fährmann fand er seinen Frieden.
Ich habe dieses Buch, das in den Jahren 1919 bis 1922 entstand, im Alter von 16 Jahren zum ersten Mal gelesen. Damals hat es mir gezeigt, wie offen alles ist und dass es ein Menschheitsanliegen ist, den Sinn des Daseins zu hinterfragen. Heute, mit deutlich mehr Lebenserfahrung, liest sich diese zeitlose Dichtung anders. Dieses Mal gibt die Lektüre Anregung, gefunden geglaubte Antworten zu hinterfragen und sich neuerlich Gedanken über vermeintlich Selbstverständliches zu machen.
Zum 50. Todestag von Hermann Hesse wird der 1972 entstandene Film Siddharta ab 9.8.12 wieder in den Kinos gezeigt. (Zum Trailer: http://www.siddhartha-derfilm.de/)
Hesse, Hermann
Siddharta
Suhrkamp Verlag 61. Auflage (1. Auflage: 1. Juli 1974)
128 Seiten
ISBN 3518366823
EUR 6,99
Siddharta
Suhrkamp Verlag 61. Auflage (1. Auflage: 1. Juli 1974)
128 Seiten
ISBN 3518366823
EUR 6,99
Tolle Rezension! Siddharta gehört auch zu meinen persönlichen Must-Reads. Ich liebe den Stil Hesses und die Thematiken, die er aufgreift. Steppenwolf, Peter Camenzind und Demian hatte ich bereits gelesen. Nach dieser Rezension freue ich mich umso mehr auf Siddharta. :)
AntwortenLöschenLiebe Grüße,
http://lesenundgrossetaten.blogspot.de/