Samstag, 19. Mai 2012

Rezension / Buchbesprechung: Darum von Daniel Glattauer



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260898 – wer diese Ziffernfolge dechiffriert, der hat den Schlüssel für die gesamte Handlung in der Hand! Zum einen handelt es sich um das Datum, an welchem Jan Haigerer von seiner langjährigen Freundin Delia verlassen wird und zugleich eine Absage erhält, die seine Pläne als Autor endgültig beendet. Außerdem ist es die Zahlenkombination seines Schließfaches, in welchem sein dunkelstes Geheimnis verborgen liegt. Sechs Zahlen bestimmen das Schicksal des Jan Haigerer und das seines Opfers


Und so beginnt die Geschichte: Haigerer, ehemals Lektor, arbeitet seit einigen Jahren in von ihm ungeliebten Beruf eines Journalisten. Eines Abends geht er in eine Bar und erschießt Rolf Lentz, einen Mann, den er zum ersten Mal in seinem Leben sieht. Der Kommissar, der den Fall untersucht, kennt den Journalisten. Haigerer wird nicht nach Waffen durchsucht. Am nächsten Tag stellt Haigerer sich der Polizei und bringt die Tatwaffe gleich mit. Man hält ihn für überspannt und schickt ihn nach Hause. Als die kriminaltechnische Untersuchung ergibt, dass es sich um die Tatwaffe handelt, bleibt den Behörden nichts anderes übrig, als Haigerer zu verhaften. Die Polizei, die Psychologen, die Untersuchungsrichterin, der Gefängnisdirektor, sie alle halten Haigerer für unschuldig. Staranwälte reißen sich darum, Haigerer aus dem Gefängnis zu holen. Der Journalist ist ein unauffälliger Mann, der immer das tut, was andere von ihm erwarten. Keiner hält ihn für einen Mörder. Warum auch, es gibt kein Motiv und auch keine Täter-Opfer-Beziehung.

Nun beginnt ein umgekehrter Krimi: Der Täter setzt alles daran, dass man ihn als Mörder erkennt. Er verzichtet auf die Staranwälte, die sich ihm andienen, und legt sein Schicksal in die Hände eines uninteressierten Pflichtverteidigers, einem Mietrechtsexperten. Haigerer will verurteilt werden, denn er weiß, dass er schuldig ist! Aber alle anderen glauben weiterhin an seine Unschuld. Wollte er sich selbst das Leben nehmen und hat das Opfer aus Versehen erschossen? So lautet eine der Spekulationen.

Bei der Verhandlung gesteht er die Tat, erdichtet sogar Gründe und eine Beziehung zum Opfer, die nie existierte, nur um bestraft zu werden. Was muss sich da ein geständiger Täter nicht alles ausdenken, dass man ihn endlich für schuldig hält. Aber dann kommt es doch ganz anders, und alle sind froh, ihn nicht aburteilen zu müssen. Zwei Frauen bewahren ihn vor einer Verurteilung, indem sie eine Entlastungsgeschichte konstruieren und sogar falsche Zeugen auftreten lassen ...

Als Leser stellt man sich sehr schnell auf Haigerers Seite. Er hat Gewissensbisse, er versucht, für seine Schuld zu zahlen. Das Opfer dagegen wird, je mehr man von ihm erfährt, immer unsympathischer. In der Haft wird Haigerer brutal vergewaltigt. Ist das nicht Sühne genug?

Daniel Glattauer erzählt in einem leicht zu lesenden Stil eine interessante Geschichte. Er stellt das Krimi-Genre auf den Kopf und gibt uns Einblick in die Seele eines guten Menschen, den man gerne als Nachbar, als Freund hätte. Erst die Zurückweisung als Künstler lässt ihn zum Mörder werden. Der Spannungsbogen, die Frage nach dem „Warum“, hält bis zum Schluss. So sieht man auch über (einige wenige)allzu larmoyant geratene Erzählpassagen hinweg. Das Amüsement, der Sarkasmus und die Ironie überwiegen deutlich.

Der Autor, über 20 Jahre beim „Standard“ tätig, u.a. als Gerichtsberichterstatter, führt uns glaubhaft das Justizwesen, arrogante Staranwälte und die Rolle der Presse bei Sensationsprozessen vor. Seitenhiebe auf den Literaturbetrieb ergänzen die biographisch fundierten Inhalte der Geschichte.

Fazit: Viel Vergnügen beim Lesen!

Glattauer, Daniel
Darum
320 Seiten
Goldmann, 2. Auflage 2009
ISBN 3-442-46761-6



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