Sonntag, 30. Dezember 2012

Der Anteil der eBook-Leser steigt in den USA weiter ...

Das amerikanische Meinungsforschungsinstitut Pew Research Center hat im Oktober 2012 über 2000  US-Bürger im Alter über 16 Jahren befragt und nun zum Jahresende eine Studie zum Thema eBook und Leseverhalten in den USA veröffentlicht.

Nachfolgend die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

  • Der Anteil derjenigen, die mindestens ein eBook im Jahr gelesen haben, ist von 2011 von 21% auf 30% im Jahr 2012 gestiegen. Die größten Zuwächse gibt es in den Altersgruppen 16/17 und 30 bis 49 Jahre.
  • Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil von Besitzern von Tablet Computern und eReadern, wie Kindle oder Nook, von 18% auf 33%.
  • Der typische eBook-Leser ist 30 bis 49 Jahre alt, wohnt in einer Stadt, hat einen höheren Bildungsabschluss und verfügt über ein Haushaltseinkommen von 75.000 Dollar und mehr im Jahr. Daran hat sich im Vergleich von 2011 zu 2012 nichts geändert.
  • Die Zahl der Lesenden geht zurück: Hatten 2011 noch 78% der Befragten angegeben, mindestens ein Buch in Print-, Audio- oder eBook-Form gelesen bzw. gehört zu haben, waren es 2012 nur noch 75%.

Samstag, 29. Dezember 2012

Ein Tipp, um die guten Vorsätze für 2013 umzusetzen ...

Wie sieht es aus mit den guten Vorsätzen für 2013? Die Welt ist am 21.12. nicht unter gegangen, da kann man sich doch ruhig mal etwas vornehmen. Wie wäre es mit besserer Ernährung, die gut schmeckt und hilft ein paar der Weihnachtspfunde zu verlieren? Dafür empfehlen wir unser kurz vor Weihnachten erschienenes, brandneues enhanced eBook „Alles grün. Vegetarische Rezepte aus aller Welt“.

Inhalt:
Das eBook "Alles Grün. Vegetarische Rezepte aus aller Welt" enthält viele neue Rezeptideen für köstliche Gerichte der vegetarischen Küche. In den Kapiteln Go green!, Little Italy, Orient Express, Running Veggie und Ach So, ja! finden Anfänger und Fortgeschrittene neue Ideen und Anregungen zu köstlichen vegetarischen Gerichten. Die multimediale Aufbereitung mit Clips und Videos inspiriert. Die Rezeptvideos ermöglichen auch weniger geübten Hobbyköchen ein erfolgreiches Nachkochen der vielfältigen Rezepte. Überhaupt gibt es in Alles Grün viel zu entdecken und zu erleben. Es macht einfach Spaß, sich durch die Seiten zu blättern. Das macht nicht nur Lust darauf, die Rezepte auszuprobieren, sondern liefert gleich die Basis für eine gesündere, nachhaltigere Ernährung und ein besseres Lebensgefühl. Frei von Ideologie richtet sich das eBook sowohl an Vegetarier wie auch an Hobbyköche, die vegetarische Rezepte einmal ausprobieren wollen oder nur gelegentlich vegetarisch kochen. Setzen Sie Ihre guten Vorsätze 2013 um und leben Sie als (Teilzeit)vegetarier gesünder und nachhaltiger – einfach besser.

Autoren:
Petra Koch ist Kochbuch-Redakteurin. In ihrer Versuchsküche hat sie bereits tausende von Rezepten getestet und entwickelt. Sie schreibt für viele namhafte Verlage und lebt in der Nähe von München. Ihr Partner David Link ist seit  Jahren in der Verlagswelt zu Hause und entwickelt Medienkonzepte für Industrie und Verlage. Seine Leidenschaft gehört dem guten Essen und seiner Kochbuchsammlung. Er wohnt im Chiemgau. Für die Reihe Erlebnis Kochen schreiben sie unter einem Pseudonym.

Die Reihe Erlebnis Kochen:
In der Reihe Erlebnis Kochen entstehen hochwertige enhanced eBooks für iPad und iPad mini. Die Rezepte, Foodfotos und Kochvideos und als besonderes Extra Stop-Motion-Clips (animierte Bilder) werden speziell für diese multimedialen eBooks produziert und designed. Die ausgesuchten Rezepte zeichnen sich durch Vielfalt, ausführliche Zusatzinformationen und leichte Nachvollziehbarkeit aus. Alle Rezepte wurden im hauseigenen Studio erprobt und produziert. In der Reihe erschienen ist bereits der Titel Zimt & Stern. Traumhafte Weihnachtsplätzchen“, weitere Titel sind in Vorbereitung.

Der Verlag icook2day:
icook2day ist die Verlagsmarke von CulinartMedia für hochqualitative Medienprodukte rund um die Themen  Kochen, Essen & Genuss. Dazu gehören eBooks, Apps und Corporate-Publishing-Produkte. CulinartMedia ist ein Full-Service-Verlag für Corporate Publishing, der auf hochwertige Print- und Online-Medien im Bereich Food spezialisiert ist.

Hier geht es zum eBook auf iTunes ...

Petra Koch, David Link
Alles Grün . Vegetarische Rezepte aus aller Welt
Enhanced eBook für iPad
icook2day Dezember 2012
ISBN: 978-3-943848-20-5 
€ 4,99
 
Quelle: Pressemitteilung CulinartMedia, CulinArts Holding GmbH vom 27. Dezember 2012

Freitag, 28. Dezember 2012

Ken Follett: Winter der Welt - eine faszinierende Lektüre.

Nach „Sturz der Titanen“ hat Ken Follett nun den zweiten Teil seiner Saga über das 20. Jahrhundert vorgelegt. Gleich zu Anfang meine grundlegende Einschätzung: Ich habe die 1024 Seiten verschlungen, und es hätten noch 1000 Seiten mehr sein können ... So spannend und faszinierend waren die vielfältigen Handlungsstränge, so lebendig die zahlreichen Protagonisten.



Das Buch beginnt mit der Machtergreifung der Nazis 1933 und endet mit der Luftbrücke nach Berlin 1949. Das gesamte Personal aus „Sturz der Titanen“ begegnet dem Leser wieder: Ethel Williams (Leckwith), Maud Fitzgerald (von Ulrich), Gus Dewar und Grigori Peshkov. Sie spielen noch wichtige (Neben)Rollen, aber im Mittelpunkt stehen deren Kinder: Carla von Ulrich, Daisy Peshkov, Wolodja Peshkov, Greg Peshkov, Lloyd Williams, Chuck Deware und Woody Dewar. Die Orte der Handlung sind Deutschland, Spanien, Amerika, Großbritannien und die Sowjetunion.

„Winter der Welt“ ist nicht nur ein historischer Roman, sondern auch ein Entwicklungsroman: Die jungen Protagonisten versuchen, ihren Platz in einer Welt, die sich im grundlegenden Wandel befindet, zu finden. Vor dem Hintergrund des Zeitalters der totalitären Diktaturen und des Zweiten Weltkrieges suchen sie nach dem für sie richtigen Weg und nach ihrem persönlichen Liebesglück. Sie reflektieren eindringlich die politischen Zeitumstände und kämpfen aktiv gegen den sich in Europa ausbreitenden Faschismus. Dabei  unterliegen sie Fehleinschätzungen und korrigieren sich dann wieder.

Besonders beeindruckt hat mich der Werdegang von Daisy Peshkov, die sich vom oberflächlichen Partygirl, das anfänglich nur ein Ziel hat, nämlich den gesellschaftlichen Aufstieg, zu einer politisch und sozial engagierten Frau entwickelt. Ken Follett lässt uns an ihren Selbstreflektionen teilhaben (wie auch bei den anderen Personen) und macht somit Motivationen und Entwicklungen sichtbar. Ähnlich spannend ist die Geschichte ihres russischen Cousins Wolodja Peshkow, der zur sowjetischen Machtelite gehört, aber bald erkennt, dass es hinsichtlich der Brutalität des Terrors keinen Unterschied zwischen Faschismus und Kommunismus gibt. Innerlich zerrissen, erfüllt er das, was er für seine Pflicht gegenüber seinem Vaterland hält.

Die Protagonisten kommen auch direkt mit den Zentren der Macht in Berührung. Ken Follett gelingt es dabei, Geschichte hautnah aus der Perspektive zeitgenössischer Augenzeugen zu inszenieren. Zwei Beispiele: William Loyd wird Zeuge von Hitlers Hassrede im brennenden Reichstag, Wolodja Peshkow begleitet seinen Vater zu Stalin, der sich nach dem deutschen Überfall mit einem Nervenzusammenbruch in seine Datscha zurückgezogen hatte. Das sind eindrucksvolle historische Momentaufnahmen, die der Autor auf diese Weise gekonnt erlebbar macht. Aber auch das alltägliche Leid der Menschen im Krieg wird thematisiert: seien es die deutschen Luftangriffe auf London, der japanische Angriff auf Pearl Harbor oder das barbarische Verhalten der sowjetischen Eroberer in Berlin. Ken Follett schildert alles aus der Perspektive derer, die dabei waren. Und zwar derart realistisch und emotional eindringlich, als wäre er selbst Augenzeuge der Geschehnisse gewesen.

Es werden aber nicht nur die "Haupt- und Staatsaktionen"  beschrieben, sondern auch weniger bekannte historische Details, wie die faschistische Bewegung Mosleys in Großbritannien, die unrühmliche Rolle der Kommunisten im spanischen Bürgerkrieg, die Ermordung von Behinderten durch die Nazis in der Aktion T4, die Ursprünge der UNO oder der Wahlsieg der Labour Party über Churchill. "Winter der Welt" ist aber kein trockenes Geschichtsbuch, sondern ein lebendiges Geschichtsvermittlungsbuch.

Ken Follett, der mit dem Spionage-Thriller „Die Nadel“ den literarischen Durchbruch geschafft hat, hat in „Winter der Welt“ auch eine ausführliche Spionagehandlung eingeflochten. Wolodja Peshkov, Offizier beim sowjetischen Auslandsgeheimdienst, ist hier im Zentrum der Handlung. Er steuert einen Spionagering während des 2. Weltkriegs in Deutschland und verhilft nach 1945 Stalin zur sowjetischen Atombombe.

Die historischen Zusammenhänge sind gut recherchiert und stimmen: Während der Arbeit zu seinem Roman hat er einzelne historische Schauplätze besucht, sein inzwischen 22-köpfiger Mitarbeiterstab hat für ihn Fakten gesammelt und ausgewertet.

Trotz der zahlreichen Schauplätze und Protagonisten verliert man als Leser nie den Überblick, denn Ken Follett ist ein grandioser Meister der nachvollziehbaren Konstruktion. Er ist aber vor allem ein Schriftsteller, dem es gelungen ist, vor einem sehr ernsten Hintergrund einen ebenso seriösen wie unterhaltenden Roman geschrieben zu haben. Ich freue mich bereits auf den dritten Teil der Jahrhundertsaga.

Ken Follett
Winter der Welt
Bastei Lübbe 2012
1024 Seiten
ISBN-10: 3785724659
ISBN-13: 978-3785724651
29.99 Euro

Weitlings Sommerfrische von Sten Nadolny – 42, 58, 10 … ich passe.

1942 wird Wilhelm Weitling geboren. 1958 hat der sechszehnjährige Wilhelm Weitling einen Segelunfall am Chiemsee, den er nur knapp überlebt. 2007 geht der Richter Wilhelm Weitling in den Ruhestand. 2010 verbringt er wieder einmal den Sommer am Chiemsee und hat erneut einen lebensgefährlichen Bootsunfall. Er wird zurückkatapultiert in das Jahr 1958 und sieht zu, wie man sein 16-jähriges Pendant aus dem Wasser zieht. Dann verfolgt der 68-jährige das Tun seines jüngeren Ich und reflektiert die verpassten Chancen seines Lebens.


Kommt Ihnen bekannt vor? Mir auch: Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte. Nur ist diese viel, viel spannender …

In den ersten zwei Kapiteln quäle ich mich durch Detailwissen zum Thema Segeln, aber ich bleibe dran, weil ich den Zeitsprung erwarte. Der innere Dialog eines Richters a.D., der auf ein erfülltes, aber langweiliges Leben zurückblickt, ist nicht sehr ergiebig. Leider ist auch der 16-jährige Willy am Ende genauso langweilig wie der 68-jährige Dr. Wilhelm Weitling.

Monatelang beobachtet der Richter a.D. sich selbst als Jüngling, der noch alle Optionen hat, die das Leben bietet. Detailliert wird der Leser über Lektüre- und Schulerlebnisse, Spaziergänge, Schwärmereien etc. unterrichtet. Als Weitling in die Gegenwart zurückkehrt, hat diese sich geändert: Er ist Schriftsteller geworden und hat eine Tochter. Aber das erfahren nur die Leser, die bis zum Ende durchhalten … Sind das viele?

Der Autor, Sten Nadolny, ist selbst ist ein schreibender Geschichtslehrer und Jahrgang 1942. Auch ähnelt sein Elternhaus demjenigen Weitlings. Hat er hier etwa eine Autobiographie abgeliefert?

Ein über verpasste Chancen reflektierender pensionierter Beamter, eine normal langweilige Jugend in den 50er Jahren im Detail geschildert, ein paar philosophische Überlegungen zum Thema Gott, bildungsbürgerliche Exkurse zu politischen und literarischen Zeitthemen … das war´s dann auch schon. Der Schreibstil ist handwerklich perfekt, der Roman ist flüssig geschrieben und gut zu lesen. Nur der Inhalt ist wenig interessant und schon gar nicht spannend.

Fazit: Eine Lektüre, die man sich sparen kann.

Nadolny, Sten
Weitlings Sommerfrische
Piper Verlag, München 2012
221 Seiten
ISBN: 978-3-492-0450-8
16.99 €


Donnerstag, 27. Dezember 2012

Preview Tristan von Paul Sandmann

In 2 Wochen wird "Tristan" von Paul Sandmann bei Amazon, Apple iBooks etc. veröffentlicht!

Auf "Buch und eBook"  gibt es schon mal eine 8 Minuten Audio-Vorpremiere:



Tristan - Paul Sandmann 
(gelesen von Leunam Remeark) 
(Quelle: YouTube)


Mittwoch, 26. Dezember 2012

Kindle Gratis-Tage - bis 6.1.13 jeden Tag ein kostenloses eBook

Bis zum 6.1.2013 gibt es im Kindle-Shop bei Amazon jeden Tag ein Buch geschenkt. Dieses Angebot beginnt jeweils um Mitternacht und endet um 23.59 Uhr desselben Tages. Der jeweilige Titel wird immer tagesaktuell bekannt gegeben, so dass Amazon mit dieser Aktion sicherlich einigen Traffic für seinen shop generieren wird.

Heute steht "Zwei an einem Tag" von David Nicholls zum Gratis-Download zur Verfügung.

Dienstag, 25. Dezember 2012

Franka Potente und Japan: Zehn - ein Buch der leisen Töne.

Wie kommt es, dass Franka Potente ausgerechnet eine Sammlung von Kurzgeschichten vorlegt, die alle in Japan spielen?



Franka Potente war 2005 für den Dokumentarfilm "Underground Art" nach Tokio gereist und besucht das Land seither immer wieder. Die fremde Kultur, der Traditionalismus dieser hypermodernen Industriegesellschaft und die für einen Europäer nur schwer verständliche Mentalität der Japaner scheinen sie zu faszinieren.

Ihr Buch ist ein besinnliches Buch. Ich habe Zehn als Audiobook gehört, von der Autorin selbst gelesen, so dass der Grundtenor unverfälscht bleibt.

Die Geschichten sind oft traurig und melancholisch. In der ersten Geschichte geht es um Frau Michi, die sich mit ihrem kleinen Laden für traditionelle Fächer kaum über Wasser halten kann. Sie kommt in vorsichtigen Kontakt mit Herrn Schreiber, der ganz anders als die meisten Europäer. Er schlägt leise Töne an und befolgt die in Japan üblichen Höflichkeitsregeln, die uns so übertrieben und fremd erscheinen.




Dann erzählt Franka Potente von der jungen, hübschen Miyu, die in grotesken Verkleidungen, z.B. als Rotkäppchen, in einem Lokal arbeitet, in dem sich Männer nach der Arbeit amüsieren. Abends jobbt sie als Tänzerin in einem Stripteaseclub. Als Polizistin verkleidet lernt sie eines Tages einen netten jungen Mann kennen, der Polizist ist.

In einer anderen Geschichte geht es um eine junge, völlig überforderte Mutter. Sie hatte sich ihr Leben anders vorgestellt. Ihr Mann ist nicht sehr nett zu ihr, es gibt keine Liebe in ihrer Ehe. Das Kind nennt sie Monster, da es immer nur schreit, mit allem um sich wirft, was es greifen kann. Sie schaut zu, wie es auf den Balkon läuft und über das Balkongeländer klettern will.

Die Geschichten sind ebenso schnörkellos wie Franka Potentes Vortragsstil. Der auktoriale Erzähler lässt uns tiefen Einblick in die Gedankenwelt seiner Figuren nehmen. Als Hörer verstehe ich die Motivation und die Gemütslagen der Protagonisten, nichts bleibt mir verborgen. Obwohl es um das ganz normale Leben von ganz gewöhnlichen Menschen geht, sind die Geschichten interessant und berührend. Ob Franka Potentes Japan-Erfahrung ausreicht, um ein authentisches Bild der japanischen Menschen zu zeichnen, vermag ich allerdings nicht zu sagen. Interessieren würde mich, was ein Japaner von diesem Buch hält.

Franka Potente selbst sagte dazu in einem Interview: „Ich war zweimal in Tokyo und einmal in Kyoto. Unter anderem habe ich dort auch bei Japanern gewohnt und mir deren Japan quasi von innen zeigen lassen. Der Rest ist ganz einfach Recherche.“


Potente, Franka
Zehn: Stories (Ungekürzte Lesung)
Audio CD
Osterwoldaudio 2010
239 Minuten
ISBN-10: 3869520477
ISBN-13: 978-3869520476
EURO 19,95

Montag, 24. Dezember 2012

Heinrich Heine ... Dezember 1846 ... Weihnachten ...

Gratis Kindle eBook
"Die Verhaftsbefehle, die von der deutschen Grenze an auf jeder Station die Heimkehr des Dichters mit Sehnsucht erwarten, werden gehörig renoviert jedes Jahr, um die heilige Weihnachtzeit, wenn an den Christbäumen die gemüthlichen Lämpchen funkeln. Wegen solcher Unsicherheit der Wege wird mir das Reisen in den deutschen Gauen schier verleidet, ich feiere desshalb meine Weihnachten in der Fremde, und werde auch in der Fremde, im Exil, meine Tage beschließen. Die wackern Kämpen für Licht und Wahrheit, die mich der Wankelmüthigkeit und des Knechtsinns beschuldigten, gehen unterdessen im Vaterlands sehr sicher umher, als wohlbestallte Staatsdiener, oder als Würdenträger einer Gilde, oder als Stammgäste eines Klubbs, wo sie sich des Abends patriotisch erquicken am Rebensafte des Vater Rhein und an meerumschlungenen schleswig-holstein'schen Austern."

Aus der Vorrede zum "Atta Troll" geschrieben zu Paris, im Dezember 1846. Quelle: Projekt Gutenberg

Meinungsfreiheit? In keinem Land, zu keiner Zeit ist dieses Grundrecht selbstverständlich!

Allen meinen Lesern angenehme Feiertage!

Harald Faißt





Freitag, 21. Dezember 2012

Sightseeing ganz anders – Skidoo von Alexander Capus

„Schweigend drängten sie sich an Deputy Sheriff Sellers vorbei, schlugen die Tür ein und holten Hootch Simpson heraus. Der Deputy beteuerte später, die Männer seien bewaffnet und fünfzigfach in der Überzahl gewesen, und nein, er habe niemanden erkennen können, denn die Männer hätten Tücher vor den Gesichtern gehabt.“ (S.38)

Aber dieser Lynchmord in der Goldgräberstadt Skidoo ist nicht der Höhepunkt der Geschichte. Simpson wird 2-mal gehängt, seiner Leiche wird der Kopf abgetrennt, und reumütig suchen die Einwohner Skidoos  per Annonce in der New York Times Simpsons Witwe, um ihr sein Erbe von 25.000 Dollar auszuzahlen.



Indianer, die sich nach chinesischen Bestattungen über die Totengaben hermachen; Erfinder, die mitten in der Wüste erfrieren; ein spanischer Conquistador im 16. Jahrhundert, der von klugen Indianern in die falsche Richtung geschickt wird; Gräber, die mit Dynamit in die eisige Erde gesprengt werden; ein Kamelpfad im Wilden Westen … laut Verlag ist jede Geschichte historisch verbürgt.

Die Geschichten, die Alexander Capus über die amerikanischen Geisterstädte des Wilden Westens erzählt, sind skurril, witzig und sehr unterhaltsam. Die reichhaltige Bebilderung und die schöne Aufmachung des kleinen Büchleins sind dem Verlag durchweg gelungen. Fazit: Empfehlenswert!

Hier geht es zur Buchbesprechung "Fast ein bisschen Frühling" von Alex Capus

Capus, Alexander
Skidoo
Meine Reise durch die Geisterstädte des Wilden Westens
Hanser Verlag 2012
Fester Einband, 80 Seiten
Mit zahlreichen Abbildungen
12.00 €










Donnerstag, 20. Dezember 2012

eBook-Reader als Weihnachtsgeschenk ... aber welcher?

Haben Sie den TV-Spot von Thalia zum Booken HD FrontLight gesehen? Wirklich gelungen. Aber was ist mit den eBook-Readern von Sony, Kobo, Trekstor und Amazon? Welcher eBook-Reader ist denn nun der für meine Bedürfnisse am passendsten?

ChipOnline hat die aktuellen Top-Modelle getestet und den Amazon Kindle Paperwhite zum Testsieger erklärt. Auch der Nachrichtensender n-tv hat einen Test durchgeführt und empfiehlt folgende beiden Modelle: Kindle Paperwhite und Kobo Glo.

Im Test von COMPUTER BILD liegt der Kobo Glo allerdings vorn. Mit der Ausnahme der Kindle eBooks  kann er alle Dateiformate lesen.

Vielleicht helfen Ihnen die drei aktuellen Testberichte bei der Entscheidungsfindung weiter und Sie finden noch das passende Weihnachtsgeschenk.

Ich persönlich bevorzuge übrigens die Tablet-Lösung, weil ich über die verschiedenen Apps alle Datei-Formate lesen und zusätzlich über die Onleihe-App zu jeder Zeit und an jedem Ort der Welt in meiner digitalen Stadtbücherei vorbeischauen kann. Ein Gerät für alles, das halte ich dann doch für äußerst praktisch. Mein Favorit und treuer Begleiter ist schon seit Jahren das 7 Zoll Samsung Galaxy Tab, das sogar als Telefon nutzbar ist ...

Freitag, 14. Dezember 2012

Drop City von T.C. Boyle: Das Scheitern einer Utopie.

Lange Haare, freie Liebe, Dope, Kalifornien, Nirvana, Easy Rider … schon auf den ersten Seiten zählt  T.C.Boyle alles auf, was von der Hippieära den meisten im Gedächtnis geblieben ist. Aber jenseits dieser Klischees wird es dann schnell lebendig und interessant.



Star, eigentlich Paulette Regina Starr, führte, bevor sie nach Drop City kam, eine bürgerliche Existenz als Lehrerin. Eines Tages brennt sie mit ihrem Schulfreund Ronnie Sommers, der sich Pan nennt und heroinabhängig ist, nach Kalifornien durch. In Drop City findet Star „ein Leben in Frieden und Gelassenheit, … keine Verstellung, keine Spielchen, keine Plastikbegierde auf der Jagd nach dem Dollar.“ (S.21)

Allerdings lässt sie sich von Pan, den sie nicht liebt, manipulieren und zu sexuellen Handlungen zwingen, die sie eigentlich nicht will. Pan ist ein zorniger, aufbrausender junger Mann, der nicht eher ruht, als bis er seinen Willen durchgesetzt hat. Es genügt, dass er ihr Spießertum vorwirft, schon gibt Star ihm nach. Bald erscheint jedoch Marco auf der Bildfläche, der wegen eines geringfügigen Deliktes auf der Flucht ist. In ihn verliebt sich Star.

Norm ist der Gründer und Übervater von Drop City. Er hat die Kommune auf dem Farmgelände seiner bei einem Unfall umgekommenen Eltern gegründet und heißt jeden in Drop City willkommen. D.h. bald hat Drop City mehr Einwohner als es verträgt. Zudem, das Paradies ist diese Hippiekommune nicht. Immer wieder finden sich Menschen ein, die parasitär von der Arbeit der anderen Leben.

Die Kommune hat ein ganz gewöhnliches, aber dennoch großes Problem: zu wenige Sickergruben für viel zu viele Bewohner. Und kaum einer der Bewohner ist bereit, beim Latrinenbau zu helfen. Es gibt auch brutalste Gewalt in Drop City: Eines Tages wird ein minderjähriges Mädchen gleich von mehreren Männern vergewaltigt. Als Pan Einhalt gebieten will, blickt er in Augen, „in denen nicht der kleinste brüderliche oder auch nur menschliche Funke“ liegt. (S.44) Es gelingt nicht, die Vergewaltiger zur Rechenschaft zu ziehen. Dann sterben beinahe zwei Kinder, weil man ihnen LSD-versetzten Orangensaft gibt. Absolute Freiheit geht einher mit Verantwortungslosigkeit und der Unfähigkeit, Kriminelle zur Rechenschaft zu ziehen. Auch Ausbeutung findet in der Kommune statt. Insbesondere die Frauen, „Bräute“ genannt von den Männern, die sich selbst als „Freaks“ bezeichnen, werden sowohl sexuell als auch hinsichtlich des Arbeitseinsatzes für die Gemeinschaft ausgebeutet. Boyle zeichnet zwar ein liebevolles, aber auch realistisches, wenig sympathisches Bild dieser Lebensweise.

Um was geht es der Kommune und ihren Bewohnern? Es geht um den Ausstieg aus dem Mainstream-Leben der Plastikgesellschaft und die Ablehnung des Krieges. Die Ideologie des konventionellen Amerikas wird folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Kaufen, kaufen, kaufen, töten, töten, töten, essen, essen, essen.“ (S.58)

Als die Behörden nach zahlreichen Warnungen und Mahnungen beschließen, die (hygienischen) Missstände zu beenden und die Kommune räumen, beschließt Norm, Nord Drop City zu gründen. Und zwar in Alaska, denn dort kann er die Blockhütte seines Onkels übernehmen: „Keine Vorschriften […], keine Bauverordnungen, keine Steuer, keine Behördenschnüffler, keine Erlässe.“ (S.222) Die meisten kann er überzeugen, und los geht es nach Alaska in einem ausrangierten Schulbus.

Zur gleichen Zeit (und unweit der Hütte von Norms Onkel) lebt Sess Harder als Trapper in der Wildnis Alaskas in einem Blockhaus. Seine erste Frau war dem harten Einsiedlerleben nicht gewachsen und hat ihn verlassen. Über eine Kontaktanzeige lernt er die attraktive Pamela, 27 Jahre alt, kennen, in die er sich unsterblich verliebt. Pamela will weg von ihrem langweiligen 8-Stunden-Job und zurück zur Natur, und zwar für immer. Auch Sess hat eine eindeutige Motivation für sein Leben in der Natur: „Die Gesellschaft geht total vor die Hunde, ständig Morde, Drogen unter Schulkindern, Hippies.“ (S.117)

Dem Trapper und den Hippies geht es um dasselbe Ideal: Leben in und von der Natur, weit weg vom seelenlosen Mainstream. So sagt Pamela im Gespräch mit Starr, mit der sie sich anfreundet: „Weißt Du, was zurück zur Natur für mich heißt? Genau das hier: von einem Tag zum anderen leben, hart arbeiten und sich das holen, was das Land einem zu geben hat, aber das hat doch nichts zu tun mit bunt angemalten Gesichtern oder LSD oder Schlaghosen.“ (S.396) Dasselbe Ziel, aber die Umsetzungsentwürfe von diesem naturnahen Leben können unterschiedlicher nicht sein. Es ist ein ähnlicher Dualismus, wie ihn Boyle Jahre später in „Wenn das Schlachten vorbei ist“ beschreibt. Dort geht es um Tierschützer gegen Umweltschützer.

Trotz Sess´ und Pamelas Ablehnung der Hippie-Kultur unterstützt Sess die Kommune, zumal ihn mit Norms Onkel eine tiefe Freundschaft verband. Pan entwickelt sich derweil zum Trapper-Hippie, der die Nähe von Sess sucht, um von ihm zu lernen. Er wird zum Haupternährer der Kommune. Aber auch hier gibt es eine parallele Entwicklung, wie im Beziehungsgeflecht Star, Pan und Marco: Bald übernimmt Marco, der ja bereits Pans Platz bei Star eingenommen hat, auch Pans Rolle bei Sess. Marco und Sess fahren mit dem Hundeschlitten die Fallenstrecke ab, Marco lernt alles über das Überleben in der Wildnis.

Die Kommune muss hart arbeiten, um Drop City Nord auf den kommenden Winter vorzubereiten: Blockhäuser bauen, Holz- und Nahrungsmittelvorräte anlegen. Langsam zerfällt die Gemeinschaft unter dieser stetigen Anspannung.

Ein Teil der Hippies ist im benachbarten, aber immerhin drei Kanustunden entfernten Ort Boynton geblieben und wohnt im Schulbus. Bald gibt es Auseinandersetzungen mit den Nachbarn. Selbst der Gründer von Drop City verlässt die Gemeinschaft und kehrt zurück nach Kalifornien. Pan und zwei weitere Männer ziehen, nachdem es in Kommune zum Streit gekommen ist, zu einem Trapper namens Joe Bosky, dem Erzfeind von Sess. Die eskalierende Gewalt zwischen Sess und Joe ist ein weiterer Handlungsstrang des Romans. 

Pan hat sich für die böse Seite entscheiden. Sein (neuer) Freund Joe hat das Trapperleben schon lange aufgegeben. Er ist hinter dem schnellen Geld her, indem er vom Flugzeug aus gnadenlos Wölfe abschießt und Alkohol an die Urbevölkerung, die Eskimos, verkauft. Eindrucksvoll schildert Boyle, was aus den einst stolzen Inuit geworden ist: elende Säufer in heruntergekommenen Behausungen, die von Sozialleistungen leben.

Mit zunehmender Kälte kühlt auch das Gemeinschaftsgefühl in der Kommune immer weiter ab. Am Schluss ritzen alle ihre Initialen in die Teller. Das ist das Ende des Gemeinschaftseigentums und sinnbildlich das Ende der Kommune. Habgier, Misstrauen und Streitereien um Nichtigkeiten treten an die Stelle der Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern.

Ein sehr gekonnter, nie langweiliger oder gar zu ausschweifender Erzählstil kennzeichnen die 583 Seiten. Boyle wechselt häufig die Perspektiven und erzählt ein- und dieselbe Begebenheit gerne aus mehr als einem Blickwinkel. Star, Marco, Ronnie, Sess und Pamela sind lebendige Figuren.

Mit einem humorvollen Augenzwinkern und offensichtlicher Sympathie erzählt Boyle die Geschichte des Scheiterns einer Utopie. Er schreckt aber auch nicht zurück, harte Wahrheiten darzustellen. Die ganze Heuchelei, insbesondere hinsichtlich der Unterdrückung der Frauen, und auch die offene und latente Gewaltbereitschaft werden beschrieben.

Das „Zurück zur Natur“ ist für T.C. Boyle ein positives Grundprinzip, nur der Weg dorthin kann eine Gemeinschaft mit inneren Widersprüchen nicht bewältigen. Kurzum: Drop City ist ein unterhaltender und nie langweiliges Ausflug in die 70er Jahre. Sehr empfehlenswert!

Weitere Rezension zu T.C.Boyle: Wenn das Schlachten vorbei ist und Dr.Sex

Boyle, T. C.
Drop City
583 Seiten
dtv 2009
ISBN 978-3-423-21113-0
EURO 9,95

Freitag, 7. Dezember 2012

Rezension / Buchbesprechung: Der Zauberberg von Thomas Mann

Um es gleich vorweg zu sagen: Der Zauberberg von Thomas Mann ist eines der wenigen Bücher, die ich mehrfach gelesen habe. Warum ? Es ist die vielschichtige Figurenwelt des Romans, die Beschreibung der bürgerlichen Gesellschaft am Vorabend der Weltkriegskatastrophe 1914/18 und die faszinierende Sprache Thomas Manns, die diesen großartigen Roman so lesenswert machen.



Der Inhalt ist sehr umfangreich und in seiner Vielfalt nur schwer zusammenzufassen. Der  Haupthandlungsstrang dreht sich um den 23jährigen Hans Castorp, der seinen Vetter Joachim Ziemßen in einem Luxussanatorium bei Davos besuchen will. Das Lungensanatorium wird von Hofrat Dr. Behrens geleitet. Als Castorp sich in der dritten Woche seines Aufenthalts erkältet, lässt er sich von Hofrat Behrens untersuchen. Der Arzt diagnostiziert ein Lungenleiden und rät ihm, im Sanatorium zu bleiben. Gerne geht Castorp, der immer mehr Gefallen an der dekadenten Welt des Sanatoriums findet, auf das Angebot ein.

Sein Vetter macht ihn mit Lodovico Settembrini bekannt, einem nicht sehr wohlhabenden italienischen Patienten. Settembrini verkörpert die Ideen der Aufklärung und der Demokratie. Er führt ausführliche Gespräche über philosophische und politische Fragen mit Castorp. Als Settembrini aus finanziellen Gründen ins nahe gelegene Davos umzieht, wird er Nachbar seines intellektuellen Antagonisten. Der asketische Jesuit Naphta strebt einen totalitären Gottesstaat an und lehnt das Prinzip der Freiheit ab. Zwischen den beiden Mentoren kommt es immer wieder zu heftigen Auseinandersetzung. Castorp lässt sich immer mehr von der Rhetorik des Jesuiten einfangen.

Die Streitereien zwischen Naptha und Settembrini eskalieren, sie wollen ein Pistolenduell austragen. Als Settembrini in die Luft schießt, verlangt Naphta, dass Settembrini noch einmal auf ihn schießt. Als dieser sich weigert, erschießt sich Naphta selbst.

Und dann ist da noch eine russische Schönheit, Clawdia Chauchat, in die sich Castorp verliebt. Sie erinnert ihn an seinen Mitschüler Pribislav Hippe, zu dem er sich als Pubertierender hingezogen fühlte. An Fasching gesteht Castorp ihr seine Liebe. Sie verbringen eine Nacht miteinander. Clawdia Chauchat verlässt zeitweise das Sanatorium, kehrt aber in Begleitung eines holländischen Kaffeeplantagenbesitzers zurück. Mynheer Peeperkorn fühlt sich am wohlsten in großen Gesellschaften und feiert und trinkt gerne. Nach dem Selbstmord Mynheer Peeperkorns verlässt Clawdia Chauchat das Sanatorium für immer.

Am Ende beginnt der Erste Weltkrieg und die internationale Gesellschaft auf dem Berghof löst sich auf. Castorp wird Soldat.

Der Zauberberg entstand von 1913 bis 1924 und erschien 1924. Im Jahre 1912 verbrachte Katja Mann mehrere Monate in einem Davoser Lungensanatorium.

In der entrückten Welt des Zauberbergs begegnet Hans Castorp - verkörpert in den Nebenfiguren - allen wesentlichen politischen und philosophischen Strömungen des ausgehenden bürgerlichen Zeitalters. Widersprüchliche Auffassungen und Prinzipien werden ausführlich diskutiert. Der Roman nutzt auch zahlreiche mythologische Motive und ist voller Anspielungen auf prominente Zeitgenossen. Tod, Erotik, Sinnsuche – die großen Themen der Menschheit bestimmen die Handlung.

Die Lektüre ist nicht einfach, aber sie lohnt sich.

Mann, Thomas
Der Zauberberg
Fischer Taschenbuch Verlag; Auflage: 19, 2008
1008 Seiten
ISBN-10: 3596294339
ISBN-13: 978-3596294336
EURO 12,95

Weiterführende Informationen: Ein sehr ausführlicher und gut geschriebener wikipedia-Artikel erläutert detailliert die Interpretationsansätze und die Rezeptionsgeschichte des Romans. Eine sehr ausführliche Beschreibung und Einordnung der einzelnen Figuren findet sich im literaturlexikon.de 
















Sonntag, 2. Dezember 2012

GASTBEITRAG von Carsten Behrendt: Er ist wieder da – Timur Vermes

„Ach, wie lustig und so Messed Ekting“

„Was sind eigentlich Lachs Alven?“, wurde ich von Kurzem von meiner Tochter, während sie ihre Hausaufgaben machte, gefragt. Lachsalven waren gemeint, das ist, wenn man ganz plötzlich ganz viel Lachen muss, weil man z. B. ein lustiges Buch liest. Also nicht gerade „Er ist wieder da“, weil da musste ich erst bis Seite 70 lesen, bis das erste Mal die Lachmuskeln aktiviert wurden. Dann gab es eine lange Pause bis Seite 387, und zehn Seiten später war das Buch mit dem vorletzten Satz „Es war nicht alles schlecht“ dann zum Glück auch zu Ende. Und es war doch schlecht. Lustige und humorvolle Bücher gehen anders. Oder ich habe das Buch einfach nicht verstanden, was natürlich auch sein kann und vermutlich die einfachste Erklärung ist.

Durch irgendwelche Irrwege oder physischen Experimente oder sonst so einen Zufall, den das Universum so manchmal zulässt, taucht der echte Adolf Hitler im Berlin des Jahres 2011 wieder auf. Ganz plötzlich und ohne Vorwarnung. Und was würde ein Hitler heute so machen oder was würden wir mit einem Hitler heute anstellen. Richtig, ins Fernsehen bringen und als Comedian arbeiten lassen. Da kann er seine Reden halten, und alle finden das witzig. Denn so einen Mist, den er von sich gibt, kann man nur als Realsatire verstehen und nicht ernst nehmen. Das Traurige ist, er meint es ernst, und da die ganze Geschichte aus der Ich-Perspektiv von Hitler erzählt wird, bekommt der Leser ungefiltert die „lustigen“ Gedankengänge auch gleich serviert.

Übrigens, das Thema Juden ist nicht lustig, was natürlich die Produzenten etc. ihrer Neuentdeckung immer wieder mit auf den Weg geben. Erschreckend wird dies deutlich, als Hitler seiner Assistentin, die die ganze Zeit in einem ach so lustigen Berliner Dialekt spricht, davon abhält zu kündigen. Seine Assistentin hatte erst vor Kurzem von ihrer Großmutter erfahren, dass Hitler den Großteil ihrer Familie vergast hat, da diese Juden waren. Warum sie diesen familiären Hintergrund erst jetzt erfährt, bleibt unklar. Aus Respekt vor den Gefühlen ihrer Großmutter will sie aber nicht mehr für die „Kunstfigur“ Hitler arbeiten. Redegewandt kann Hitler sie aber überzeugen, doch weiter für ihn zu arbeiten. Schließlich verkuppelt er sie auch noch mit einem weiteren Mitarbeiter. Aber gut, dass dadurch wenigstens ein Teil ihrer Familiengeschichte aufgearbeitet wird.

Was wirklich Bedeutendes passiert in diesem Buch nicht, und nach über 390 Seiten ist es dann auch einfach so zu Ende. Die Frage, die sich stellt, ist, wie man auf so eine Buchidee eigentlich kommt. O.k. das Thema Hitler ist schon seit Langem ein immer wieder gern genommenes Thema für eine Comedy. Wer sich diesem Thema annimmt, muss aber sorgfältig damit umgehen. Ich persönlich glaube, das Universum wollte uns testen, wie verantwortungsvoll man mit so einer Idee umgeht und nachdem jetzt dieses Buch erschienen ist, hat sich das Universum entschieden, doch den Gesetzen des Maya-Kalenders zu folgen und die Welt am 21. (oder war es der 22.) Dezember zu vernichten. Und man darf dem Universum auch gar nicht Böse sein, das Urteil ist durchaus gerechtfertig. Danke Timur, muss ich wenigstens keine Weihnachtsgeschenke kaufen.

So wenig wie die Welt am 21. oder 22. Dezember untergeht, so wenig lustig ist das Buch. Es wird so tief in die Klischeekiste gegriffen und jeder noch so vorhersehbare Witz gebracht. Wie würde eine Person reagieren, die ca. sechzig Jahre nicht auf der Welt war und plötzlich wieder auftaucht. Was würde diese Person von unserer Zeit denken, wenn diese einen Nachmittag Privatfernsehen angeschaut hat. Da fallen einem vermutlich so einige Witze ein und genau diese wurde von Timur Vermes alle sorgfältig gesammelt und aufgeschrieben. Bei so manchem Kommentar der Figur Hitler bleibt einem das Lachen im Halse stecken, was durchaus ein Merkmal guter Satire ist. Das Ganze ist eine Gratwanderung und ist dann tatsächlich nach hinten losgegangen. Vielleicht will ich mich auch einfach nicht auf dieses Humor-Niveau einlassen. 

Deshalb lautet für mich das Fazit, dass ich diesen Humor nicht teilen will und deshalb in den Garten gehe um das Buch zu verbrennen. Ne, lieber doch nicht, das macht man in Deutschland nicht. Dann doch bei Rebuy verkaufen und weg damit. Da bekommt man noch richtig Geld dafür.

Das schlechteste Buch, das ich seit Langem gelesen habe.

Carsten Behrendt, Mülheim an der Ruhr, im Dezember 2012

Vermes, Timur
Er ist wieder da
400 Seiten
Eichborn Verlag 2012
ISBN-10: 3847905171
ISBN-13: 978-3847905172
EUR 19,33 [Der Preis soll wohl auch spaßig sein!? HF]

Schneewittchen reloaded - eine lesenswerte Kurzgeschichte.

Auf den ersten  Seiten entwirft die Jungautorin susymah ein stimmiges Bild von einer Gestalt, die nachts in einer düsteren Gegend auftaucht und im Keller eines Abbruchhauses verschwindet. Gut gemacht, auch sprachlich! Das erzeugt Spannung, der Leser will wissen, wie es weiter geht.


Im Mittelpunkt steht die 14-jährige Maggy, die eines Tages aus ihrem wohlhabenden Elternhaus verschwindet und sich einer Gruppe von Straßenkindern anschließt. Sie ist bereits in psychologischer Betreuung, da sie glaubt, dass ihre Mutter von der Frau umgebracht wurde, die sich nun für ihre Mutter ausgibt. Der behandelnde Psychologe, er ist auch der Ich-Erzähler der Geschichte, glaubt, dass es sich um einen klassischen Ödipus-Komplex handelt.

Nach wenigen Tagen findet die Polizei Maggy, die unter Drogen gesetzt wurde, und sich panisch dagegen wehrt, nach Hause gebracht zu werden. Doch ihre Mutter holt sie ab, und der Psychologe verfällt deren Ausstrahlung und lässt sie gewähren ...

Da sich die Parallele zum "klassischen" Schneewittchen manchmal nicht von selbst ergibt, wird ein expliziter Hinweis eingeflochten, wie z.B. der Vergleich zwischen den sieben Straßenkindern und den sieben Zwergen. Das stört etwas. Die Geschichte ist jedoch phantasievoll konstruiert und sprachlich gekonnt (im Krimi-Duktus) umgesetzt.

Am Schluss überschlagen sich die Ereignisse. Die Autorin legt ein sehr rasantes Tempo vor und bleibt dem Leser eine eindeutige Erklärung für das Basiskonstrukt  schuldig. Allerdings gibt es gut gemachte Hinweise, die den Leser in die Lage versetzen, sich selbst die Antworten zu geben.  Die Lektüre der 27 Seiten lohnt sich.

Hier geht es zum Volltext bei BookRix ...

Freitag, 30. November 2012

Buchbesprechung / Rezension: Verwesung von Simon Beckett

Verwesung ist der vierte Thriller aus der David-Hunter-Reihe. Zum ersten Mal erfährt der Leser die genaueren Umstände des Unfalltods von Hunters Familie und lernt den forensischen Anthropologen aus der Nähe kennen.



Das Buch beginnt mit einer Rückblende: Tina Williams und die Bennett-Zwillingen sind verschunden. Jerome Monk wird überrascht, als er einem Mädchen Gewalt antut. Der Außenseiter, sein Äußeres ist so abstoßend, dass keiner Mitleid mit ihm hat, wird solange verhört, bis er alle Morde gesteht. Keinen stört es, dass er nie verrät, wo die Leichen liegen. Alle sind froh, den Fall derart passend abschließen zu können. Schließlich wird im Sumpf von Dartmoor eine Leiche gefunden. Es ist die seit Jahren vermisste Tina Williams.   

Eine Suchaktion nach den anderen Leichen beginnt, bei welcher Monk zu fliehen versucht. Er wird gefasst und alle sind nun restlos von seiner Schuld überzeugt.

Viele Jahre später bricht Jerome Monk aus dem Hochsicherheitsgefängnis aus. Als Leonard Wainwright,  Professor und forensischer Archäologe, stirbt, glaubt man, dass Monk sich nun an allen damals Beteiligten rächen will.

Zusammen mit Terry Connors, der als Polizist an der Dartmoor-Aktion beteiligt war, versucht Hunter, Monk aufzuspüren. Aber nicht nur beruflich ist Hunter mit Connors verbunden, auch privat hatten sich ihre Wege gekreuzt. Einst war Hunter eifersüchtig auf Terry Connors, der seine Frau, die zusammen mit der Tochter bei einem Autounfall umgekommen war, bedrängt hatte, während Hunter in Bosnien Massengräber untersuchte.

Bis zum spektakulären Showdown in der Weite der Sumpflandschaft und den engen Gängen verlassener Minenschächte erzählt Beckett hier eine spannende Geschichte mit einigen Wendungen und einem überraschenden Ende. Viel Spaß bei der Lektüre!

Weitere Rezensionen zu Simon Beckett:
Chemie des Todes
Tiere

Beckett, Simon
Verwesung
rororo 2012
448 Seiten
ISBN-10: 3499248662
ISBN-13: 978-3499248665
EURO 9,99


 


Donnerstag, 29. November 2012

Betaversion der Deutschen Digitalen Bibliothek ist seit dem 28.11.12 online

Die DDB ist das nationale Zugangsportal für Kultur und Wissenschaft in Deutschland. Sie verlinkt die digitalen Angebote der deutschen Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen miteinander und macht sie allgemein zugänglich. Der Nutzer findet in der DDB die digitalisierten Bestände und Erschließungsinformationen aus Bibliotheken, Archiven, Museen, Denkmalämtern, Mediatheken sowie Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen.

Es werden digitale Objekte aus allen Sparten und in allen denkbaren Medienarten (Text, Ton, Bild, Film) angeboten: Bücher, Urkunden und Akten, Gemälde, Statuen, Installationen, Denkmäler, Filme und Musik.

Die Betaversion ist seitdem 28. November 2012 im Internet frei verfügbar, und jeder kann sie nutzen. Das Projekt wird von Bund und Ländern finanziert.

In einem 6-Minuten-Film stellt sich die DDB vor: zum Video. Es gibt auch ein Video-Tutorial zur Umgang mit der Suche: Einfache und erweiterte Suche

Montag, 26. November 2012

Joseph Freiherr von Eichendorff zum 155. Todestag

Der frohe Wandersmann
Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt;
Dem will er seine Wunder weisen
In Berg und Wald und Strom und Feld.
... weiterlesen bei Gutenberg ... 

Eichendorff war einer der bedeutendsten Vertreter der deutschen Romantik, jener gefühlsbetonten Gegenbewegung zur Rationalität und Industrialisierung. Das idealisierte Mittelalter und die mythologisch überhöhte Natur, das waren die Themen der Romantik. Besonders Eichendorffs Gedichte, von Robert Schumann vertont, haben die gängige Vorstellung von der Romantik bis heute geprägt.

Eine ausführliche Biographie Eichendorffs findet sich bei xlibris. Sehr empfehlenswert für alle, die sich intensiv mit dem Thema befassen wollen, ist eine Vorlesungsreihe der Universität Kiel zur Literatur des 19. Jahrhunderts und der Artikel "Literatur der Romantik (1798-1835)" erschienen in  Die ZEIT.

Freitag, 23. November 2012

Josef Wilfing: Heute bei PHOENIX

PHOENIX IM DIALOG mit Josef Wilfling Freitag, 23. November 2012, 24.00 Uhr.

Wiederholung am Sonntag, 25. November 2012, 11.15 Uhr.

Josef Wilfing, war 42 Jahre bei der Münchner Polizei tätig, davon 22 Jahre bei der Mordkommission. Über 100 Mordfälle hat er selbst bearbeitet. Unter anderem war er Ermittler in den Mordfällen Walter Sedlmayr und Rudolph Moshammer.

Ausgehend von den biblischen Todsünden schildert er in seinem Buch „Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden“ einige besonders drastische Verbrechen, die aus Habgier, Mordlust oder Wollust begangen wurden.

Hier geht es zur Rezension von Abgründe auf Bücher und eBooks ...

Wilfling , Josef:
Abgründe
Wenn aus Menschen Mördern werden
Heyne-Verlag 2010
Kindle Edition
ASIN: B004P1JB9Q

Buchbesprechung / Rezension: Schneemann von Jo Nesbø

Nur Harry Hole erkennt, dass es sich beim Verschwinden von jungen Müttern um die Taten eines Serienmörders handelt. Es sind einfach zu viele, die spurlos verschwinden, und zwar immer mit dem Wintereinbruch. Die Leichen sind weg, aber an den Tatorten findet sich immer ein Schneemann, so dass der Serienmörder schnell seinen Namen bekommt.


Das erste Opfer des Killers war dessen eigene Mutter, die er für seine tödliche Erbkrankheit verantwortlich macht. Die Morde an den anderen Frauen sind lediglich eine grausame Wiederholung des ersten Mordes. Zum Ende des Buches, kurz vor der rasanten, finalen Auseinandersetzung zwischen Mörder und Polizist, offenbart Nesbo detailliert und nachvollziehbar das Innenleben des intelligenten Mörders. Dieser entwickelt im Laufe der Zeit einen immer größeren Sadismus. Seine Taten werden fortlaufend grausamer und nehmen zugleich (im Sinne des Unentdecktbleibens) immer professionellere Züge an.

Jo Nesbo wurde einmal gefragt, welche grausame Tötungsart er in seinen Krimis favorisiert. Seine Antwort war: „Mein Favorit ist immer die Methode, die ich mir gerade ausdenke. Ich versuche mir immer neue Arten einfallen zu lassen. Amputationen finde ich gerade zum Beispiel sehr interessant. Eigentlich habe ich keinen Folter-Favoriten, Hauptsache abgeschnittene Körperteile sind dabei.“ (zum Interview) Abgeschnittene Körperteile gibt es im Schneemann genug.

Nesbo führt den Leser von Spur zu Spur, von Verdächtigem zu Verdächtigem. Der Spannungsbogen bleibt stets erhalten, es kommt keine Langeweile auf, dafür sorgen die zahlreichen überraschenden Wendungen, die Nesbo gekonnt eingewoben hat. Was wird als nächstes Geschehen? Ist das jetzt der Mörder oder wieder eine falsche Spur? Da gerät z.B. der Schönheitschirurg Idar Vetlesen, bei dem alle Opfer in Behandlung waren, in Verdacht, aber der wird selbst ermordet. Seine Ermittlungen führen Harry und seine Assistentin Katrine nach Bergen, wo ebenfalls Morde stattgefunden haben. Die beiden finden die grausam zugerichtete Leiche des verschwundenen Polizisten Gert Rafto, der ebenfalls diese mysteriösen Fälle untersucht hatte.

Neben der Suche nach dem Serienmörder spielt auch Harrys Privatleben eine Rolle. Insbesondere die Beziehung zu seiner Ex-Freundin Rakel, die inzwischen mit dem Arzt Mathias liiert ist, sich aber immer noch mit Harry trifft und auch eine Verhältnis mit ihm anfängt. Auch ist der ständige Kampf mit seiner Alkoholsucht ein stetig wiederkehrendes Thema.

Auch der Zeitungsverleger Arve Støp wird verdächtigt, da er sexuelle Beziehungen zu mehreren Opfern unterhielt. Katrine, Harrys Assistentin und wie sich später herausstellt Raftos Tochter, will dem Zeitungsverleger mit Gewalt ein Geständnis entlocken und Selbstjustiz verüben. Harry vereitelt diese Tat, seine Assistentin landet in der Psychiatrie. Alleine aus dieser Teilgeschichte hätte man eine guten Krimi machen können.

Als Harry durch Zufall herausfindet, dass die Leichen der Opfer in der Pathologie „entsorgt“ werden, kommt er dem tatsächlichen Täter nahe, gefährlich nahe. Seine Ex-Freundin Rakel und deren Sohn geraten in Lebensgefahr. Es kommt zu einem grandiosen Showdown, zu einem Kampf auf Leben und Tod.

Wer eine spannende, kurzweilige Lektüre sucht, der sollte Nesbos Schneemann unbedingt lesen.

Übrigens, Martin Scorsese arbeite bereits an der Verfilmung des "Snowman". Das kann nur ein spannender Film werden.

Zu weiteren  Rezensionen von  Jo Nesbo auf Bücher und eBooks:

Kakerlaken, Die Larve und Headhunter

Nesbo, Jo
Schneemann
Ullstein Taschenbuch 2009
496 Seiten
ISBN-10: 3548281230
ISBN-13: 978-3548281230
EURO 9,95



Mittwoch, 21. November 2012

GASTBEITRAG von Carsten Behrendt: Tauben fliegen auf - Melinda Nadj Abonji

Sätze, so lang wie ein Gedanke eben dauert.

Dieses Buch genießt man am besten in kleinen Häppchen. So ungefähr lautet ein Satz, den ich am Ende des Buches gelesen habe. Es handelte sich dabei aber um ein Werbezitat für ein anderes Buch und trotzdem trifft diese Aussage auch auf „Tauben fliegen auf“ von Melinda Nadja Abonji zu. Man muss noch konkreter werden, dieses Buch genießt man Satz für Satz. Wobei ein Satz oft über eine ganze Seite geht und man nach jedem Satz sich erst einmal Zeit zum Durchatmen gönnen muss.

Abonji packt so viele verschiedene Gedanken, Gefühle und Beschreibungen in nur einen Satz, dass man diese erst sortieren muss. Die Gedanken in einem Satz schweifen ab, vermischen Gegenwart und Vergangenheit und nehmen noch so einige Eindrücke der Umwelt mit. Wie das Gehirn, das so viele Einflüsse auf einmal verarbeiten und dann die wichtigsten herausfiltert. Klinkt jetzt kompliziert, ist es aber nicht. Trotz der ganzen Schachtelsätze ist das Folgen der Geschichte nicht nur Literaturprofessoren möglich. Es liest sich gut und flüssig, man muss sich nur auf die Erzählweise einlassen, und es ist sehr interessant, wie viel man mit nur einem Satz aussagen kann.

Um es auf den Punkt zu bringen, das Buch fordert einen, es überfordert aber nicht. Wer sich auf dieses Buch einlässt, wird belohnt mit einem großartig erzählten und halb autobiografischen Roman um die Familie Kocsis.




Auf 310 Seiten und ungefähr genauso vielen Sätzen (o.k. es sind doch ein paar mehr) wird aus dem Leben von Ildiko erzählt, die als Kind in den 80er Jahren aus Jugoslawien in die Schweiz auswandert, oder besser gesagt, aufgrund der Familienzusammenführung zu ihren Eltern in die Schweiz kommt. Seit ihrer späten Kindheit wächst sie in der Schweiz auf, einem für sie fremden Land. Sie fühlt sich selbstverständlich immer noch stark zu ihren Wurzeln in Jugoslawien verbunden und vermisst den Rest der Familie - ihre Mamika, ihre Tanten und Onkels.

Ildiko freut sich immer wieder in den Ferien in ihr Dorf in der Vojvodina, im Norden von Serbien, wo eine ungarische Minderheit wohnt, zurückzukehren. Einem Ort, in dem ihr alles so vertraut vorkommt und sich nichts zu ändern scheint, also einen Ort, der ihr Sicherheit und Geborgenheit gibt. Anfang der 90er eröffnen ihre Eltern in der Schweiz ein Café, das Mondial. Der Ort und die Arbeitsstätte, mit der die Familie versucht, sich der Schweiz anzupassen und nicht als Ausländer aufzufallen (obwohl die gesamte Familie schon längst eingebürgert wurde). Die Schweiz ist für sie mittlerweile ein sicherer Ort geworden, da in ihrer alten Heimat Krieg ausgebrochen ist. Die Angst, über den Rest der Familie, wie z. B. den eingezogenen Cousin, mischt sich mit der Angst, in der neuen Heimat nicht willkommen zu sein und sich möglichst gegen die wachsende Fremdenfeindlichkeit passiv zu verhalten.

Auf sehr eindrucksvolle Art und Weise beschreibt Abonji das Leben zwischen zwei Welten sowie die Angst und Zerrissenheit dazwischen. Jeder dieser langen Sätze macht dies deutlich und zeichnet ein detailliertes Bild der inneren Gefühlswelt von Ildiko und spiegelt sehr gut das damalige Zeitgeschehen in der Schweiz wider. Genau das, was zeitgenössische Literatur leisten soll. Man feiert auf Familienfeiern mit, die immer wieder nach zu viel Alkohol in politische Streitgespräche enden, und spürt die Hilflosigkeit und Angst um die Familie in der Kriegsregion.

Für dieses Buch gab es meiner Meinung nach zurecht 2010 den Deutschen Literaturpreis, der als Gradmesser für den aktuellen Stand in der deutschen Literaturlandschaft gilt. Und um am Ende noch ein paar Klischees zu erfüllen, hier noch ein Tipp: Gerade jetzt, wo es früher dunkel wird und man gerne mal ein Buch zur Hand nimmt, ist dieses Buch sehr zu empfehlen. Mit einem Glas Rotwein vor dem Kamin oder auf dem Sofa mit einem Tee. Oder einfach mal so lesen, weil man mal was anderes als einen Krimi lesen möchte. Aber ruhig Häppchenweise genießen und immer wieder Zeit nehmen, um durchzuatmen und zu reflektieren, was man gerade gelesen hat. Denn wer zu schnell liest, kann die Tauben aufscheuchen und die fliegen auf.


Abonji, Melinda Nadj
Tauben fliegen auf
314 Seiten
Salzburg,  Jung und Jung Verlag 2010
ISBN-10: 3902497785
ISBN-13: 978-3902497789
EURO 22,00


(Dieses Buch war 2012 nominiert für den Deutschen Literaturpreis: Sand, von Wolfgang Herrendorf .)

Carsten Behrendt, Mülheim an der Ruhr, im November 2012 

Der bloggende Taxifahrer aus Mahrzahn - lesenswert!


Sascha Bors ist Taxifahrer und wohnt im Berliner Stadtteil Marzahn. Seit August 2010 betreibt er sein Blog GNIT "gestern-nacht-im-taxi.de".

Ein Blog, über den der Autor selbst schreibt, dass man hier "allerlei Kurioses, Unterhaltsames und Informatives aus dem Leben und Wirken eines Berliner Taxifahrers erfährt."

Diese Aussage kann ich nur bestätigen. Hier eine kleine Kostprobe:
"Pärchen. Im Grunde ist es unverständlich, wieso sich Menschen paarweise zusammenrotten, stets darum bemüht, mit dem Partner in möglichst vielen Punkten uneinig zu sein. Das Pärchen, das zu mir ins Auto gefunden hatte, musste jedenfalls irgendwie ganz großartigen Sex haben oder in finanzieller Weise voneinander profitieren, denn sonst schienen sie nicht sonderlich gut zueinander zu passen. Er ein eher schüchterner Typ mit Zufallsfrisur und Dreitagebart, sie hochgestylt bis zum Level Barbie+ und mit einem Befehlston auf den Lippen, der wahrscheinlich Flugzeuge vom Himmel holen könnte."
Einfach mal selbst reinschauen und allerlei interessante Berliner Taxi-Geschichten lesen. Immerhin hat GNIT beim User-Voting der Deutsche Welle Blog Awards in der Kategorie "Best Blog German" einen beachtlichen zweiten Platz geschafft..

Freitag, 16. November 2012

Kennen Sie die Petition 37573?

Bei der Petition 37573 geht es darum, dass für eBooks der reduzierte Steuersatz für gedruckte Bücher gelten soll. 

Die Petition im Wortlaut:
"Der Bundestag möge beschließen, dass eBooks mit dem gleichen Mehrwertsteuersatz besteuert werden wie gedruckte Bücher, d.h. mit 7%.
Begründung
Für gedruckte Bücher gilt der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7%, da Bücher als Kulturgut gelten, das allen Bevölkerungsschichten zu erschwinglichen Preisen zur Verfügung stehen sollte. Da dies in gleichem Maße auch auf eBooks zutrifft, sollte für elektronische Bücher der gleiche Steuersatz gelten. Des weiteren sollten Menschen mit einer Sehschwäche, die auf eBooks wegen der Möglichkeit der Schriftvergrößerung angewiesen sind, nicht steuerlich benachteiligt werden."
Wenn der Petent für sein Anliegen innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterstützer gewinnt, kann er sein Anliegen mit den Abgeordneten in einer öffentlichen Sitzung vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages diskutieren. Registrierte Nutzer des Petitionsportals können die Petition elektronisch mitzeichnen.

Wer für die reduzierte Mehrwertsteuer für eBooks ist kann sich hier registrieren und die Petition mitzeichnen: Petitionsportal des Dt. Bundestages

Harry Holes 9. (und letzter???) Fall: Die Larve von Jo Nesbo

Harry Hole lebt in Hongkong, hat den Polizeidienst quittiert und arbeitet als Geldeintreiber. Dann erfährt er, dass Oleg, der Sohn seiner Exfreundin Rakel, seinen Freund Gusto Hansen erschossen haben soll. Beide verbindet eine bewegte Vergangenheit als Drogendealer und -konsumenten. Harry glaubt an Olegs Unschuld und kehrt nach Oslo zurück, um Rakel und ihrem Sohn beizustehen.



Nesbo bietet alles auf, was einen Krimi spannend macht: Korrupte Politiker und Polizisten, die mit der Drogenmafia zusammenarbeiten, eine nächtliche Graböffnung, mehrere Anschläge auf Harrys Leben, falsche Fährten und rasante Wendungen, eine Entführung, mehrere Morde, bis ins Detail gut skizzierte Figuren, atemberaubende Action …

Das Rauhbein Harry zeigt sich in "Die Larve" von seiner menschlichen Seite: Er liebt Rakel immer noch und sieht sich als Vater von Oleg.

Es gibt zwei Erzählebenen, die sich abwechseln: Der auktoriale Erzähler schildert die aktuelle Ermittlungen des ehemaligen Polizisten. Das Mordopfer Gusto Hanssen berichtet aus seiner Sicht die Umstände und Hintergründe, die zu seiner Ermordung führten.

Die Geschichte ist schlüssig konstruiert, spannend und das Lesevergnügen enorm. Am Schluss erwartet den Leser eine sehr überraschende Wendung.

Weitere Besprechungen in Bücher und eBooks zu Jo Nesbo:

Headhunter

Kakerlaken

Nesbø, Jo
Die Larve: Harry Holes neunter Fall
576 Seiten
Ullstein 2012
ISBN-10: 3548284930
ISBN-13: 978-3548284934
EURO 10,99




Sonntag, 11. November 2012

Gefährliche Entwicklungen von Andreas Schneider

Worum geht es im Buch?
Das Buch handelt von zwei minderjährigen Straftätern. Der eine ersticht im Blutrausch seine Lehrerin („Erst jetzt wird mir bewusst, was wirklich geschehen ist. Es war kein Computerspiel! Es ist real! Der vordere Bereich des Raumes, direkt vor der Tafel, ist rot. Blutspritzer bis hinauf zur Decke! Was habe ich nur getan? Wie war es möglich gewesen …"), der andere erschlägt einen Mann in einer S-Bahn-Station.

Beide haben eine lebenslängliche Haftstrafe zu verbüßen und müssen lernen, sich gegenseitig zu unterstützen. Nach achtzehn Jahren werden sie endlich entlassen. Ein neues Abenteuer beginnt. Während Thomas kämpft, um ein in ein normales Leben zurück zu kehren, stürzt Robert ab. Es kommt unweigerlich zur Katastrophe ...



Woher kommt die Idee zur Handlung?
Die Idee stammt von der Presse, von den Medien, den Meldungen, die uns jeden Tag umgeben. Wie oft haben wir schon von Schulmassakern gelesen oder gehört, Wie oft von Schlägereien mit Todesfolge?

Warum „Gefährliche Entwicklungen"?
Es gibt mehrere Handlungsstränge. Zum einen ist da Thomas, der mit seinem Leben nicht zurecht kommt, von seiner Lehrerin als hoffnungsloser Fall abgestempelt wird. Irgendwann ist seine innere Wut so groß, dass er auf sie losgeht. Dann gibt es noch Robert, den wir zum Zeitpunkt seines Verbrechens kennen lernen. Er erschlägt einen Mann an einer S-Bahnstation. Und doch scheinen beide Taten einen gemeinsamen Hintergrund zu haben: Da gibt es einen Sensationsreporter, der Geld zahlt, bevor etwas geschehen ist …


Schneider, Andreas
Gefährliche Entwicklungen
United P. C. Verlag 2012
190 Seiten
ISBN: 978-84-9015-808-1
18,90 €

Weitere Informationen zum Autor und seinen Werken gibt es unter www.andreas-schneider.de

Quelle: Pressemitteilung des Autors per eMail vom 11.11.12

Freitag, 9. November 2012

Buchvorstellung von Elna Utermöhle: „Geld blutet nicht, dachte der Investor der Mafia“

Roberto Madonia, gut aussehend und gebildet, hat alles, was seiner Meinung nach zu einem erfolgreichen Leben gehört - eine hübsche Frau, zwei niedliche Kinder, ein Ferienhaus in der Toskana, eine Yacht und eine Geliebte. Seine Investmentfirma zählt zu den renommiertesten Italiens.

Eines Tages besucht ihn ein schlichter Mann und bittet ihn, sein Geld gewinnbringend zu investieren. Bald geht es um immer größere Summen. Madonia jongliert weltweit mit Milliarden, doch der Kunde fordert bei ihren Treffen in Rom, in der Toskana, beim Formel-1-Rennen oder in einer Kandinsky-Ausstellung immer neue, waghalsige und nicht immer legale Abenteuer auf den Finanzmärkten.



Als Madonia realisiert, wessen Kapital er investiert, ist es zu spät. Er ist längst ein wichtiges Werkzeug im stillen Umbau der Cosa Nostra zur Cosa Internationale geworden. Mit seiner Hilfe wandelt sich die sizilianische Mafia vom lokalen Gangstersyndikat zum global operierenden Konzern. Mehr investieren,
weniger schießen heißt die Devise. 

Gelenkt wird die Neuorientierung vom „Professore“, der seine Ideen und Befehle mit codierten Bibelsprüchen an ein Triumvirat weitergibt. Die drei Männer spiegeln den Umbruch der Cosa Nostra wieder – lokale und internationale Macht, archaische Traditionen und modernes Management, kriminelle Geschäfte und legale Investitionen, brutale Morde und weltläufiges Auftreten. Einer von ihnen, Rosario Grande, ist der Auftraggeber des Finanzberaters in Rom. Dass auch die neue Mafia nicht vor Gewalt zurückschreckt, wenn es opportun erscheint, muss der Investor erfahren, als er versucht, aus dem Milliardenspiel auszusteigen.

Elna Utermöhle, die Autorin, ist Journalistin, lebte lange in Rom und Brüssel und  ist  nun in der Toskana zu hause.


Utermöhle, Elna
Geld blutet nicht, dachte der Investor der Mafia
eBook Kindle Edition
September 2012
(Seitenzahl der Print-Ausgabe: 123 Seiten)
ASIN: B009FJ70E6
5,05 EURO

Gastbeitrag von Elna Utermöhle vom 10.10.12

Donnerstag, 8. November 2012

Bad, bad, bad Britain: Ein plötzlicher Todesfall von J.K. Rowling

„Der plötzliche Todesfall“ ereignet sich bereits auf Seite drei. Barry Fairbrother stirbt auf einem Parkplatz an einem Aneurysma, umgangssprachlich Hirnblutung. Es folgt eine ausführliche Beschreibung der Reaktionen auf den Tod von Fairbrother. Zahlreiche Personen werden eingeführt. Jeder stand in einer anderen Beziehung zum Toten. Der Leser erhält so ein multiperspektivisches Bild des Toten.

Parallel entfalten sich zahlreiche Nebenhandlungen. Die einzelnen Geschichten und deren Protagonisten werden sehr detailliert, fast fotorealistisch geschildert. Es geht z.B. um einen Biedermann, der einen gestohlenen Computer kauft, oder um eine frustrierte Boutiquebesitzerin, die sich mit einem Minderjährigen einlässt.

Sowohl die einzelnen Handlungsstränge als auch die zahlreichen Figuren finden erst nach und nach zueinander. Von Beginn an muss der Leser sehr aufpassen, um sich zurecht zu finden und sich nicht im Beziehungs- und Handlungsgeflecht zu verlieren. In Klammern werden Erläuterungen gesetzt, die den Charakter von Fußnoten haben. Gedankengänge der Protagonisten werden kursiv gesetzt. Da hatte man wohl die Einsicht, dass ansonsten der Durchblick ganz verloren gehen würde.

Eine ähnliche Vielzahl von Protagonisten und Parallelhandlungen findet sich beispielsweise auch in Folletts „Sturz der Titanen“, nur ist dort alles deutlich überschaubarer und nachvollziehbarer konstruiert.

Sozialer Realismus ist das Thema der Autorin. Und es geht heftig zur Sache, von Anfang an: ohne Umschreibungen wird Krystal Weedon als englische Unterschichtenschlampe vorgestellt. Sie ist frühreif und jeglichem sexuellen Abenteuer zugeneigt. Ihre Mutter ist eine heroinsüchtige Prostituierte, so dass sich die Jugendliche um ihren zweijährigen Bruder Robbie kümmern muss. Die Geschichte der Familie Weedon zieht sich als Teil der Haupthandlung durch den gesamten Roman.

Der Spannungsbogen, der die gesamten Haupt- und Nebenaktionen über mehr als 500 Seiten tragen soll, ist der jahrzehntealte Konflikt zwischen dem idyllischen Dorf Pagford und der nahgelegenen Stadt Yarvil, die die Sozialsiedlung Fields gebaut und es verstanden hat, dass Pagford für diese finanziell aufkommen muss. Barry Fairbrother , selbst aus Fields stammend und in Pagford zur Schule gegangen, führte im Gemeinderat die Fraktion an, die für eine Integration Fields eintritt, während der andere Teil des Gemeinderats alles daran setzt, dass Fields wieder in den Verantwortungsbereich Yarvils zurückkehrt. Nach Barry Fairbrothers Tod entsteht ein erbitterter Kampf zwischen den Fraktionen um die Besetzung des freigewordenen Gemeinderatsitzes.

Aber es geht nicht nur um den Sitz im Gemeinderat: Die Menschen in Pagford sind grundsätzlich zerstritten, ja vom Hass aufeinander zerfressen. Ehepartner untereinander, Eltern gegen ihre Kinder … egal, überall herrscht Abneigung und Streit bis hin zur körperlichen Gewalt. Die Autorin scheut sich dabei nicht, die Gewalthandlungen ebenso plastisch darzustellen wie die „Sexszenen“.

Die Jugendlichen, die extrem unter ihren Eltern leiden, sind nicht besser. Die Opfer sind auch Täter und nutzen geschickt das Internet, um die Erwachsenen zu denunzieren. Aber auch Mitschüler werden infam bloßgestellt. Es scheint fast so, als wäre mit Barry Fairbrother, der einzige anständige Mensch in ganz Pagford gestorben.

Am Schluss stehen konsequent zwei Särge in der Mitte der scheinbar idyllischen Gemeinde, umringt von einer Meute von Heuchlern. Der Leser schließt erschrocken das Buch, nachdem er sich durch über 500 Seiten modernes Elend und abgrundtiefe Bosheit gequält hat.

Kurz gesagt:

Der Schreibstil ist allzu detailversessen, die Dialoge sind zu ausufernd, ja nervig. Die Geschichte ist sehr verwirrend geschrieben. Man kann als Leser nur schwer den verschiedenen Handlungssträngen folgen. Alles ist viel zu lang geraten. Und die Botschaft? Alle Menschen sind schlecht … Die Frage nach dem Warum bleibt unbeantwortet. Was mag die Autorin bewogen haben, eine solch düstere Kleinstadtwelt zu beschreiben?

Denkt man an die Vorgeschichte der Ankündigung des neuen Romans der weltberühmten Autorin, bleibt folgender Eindruck: Gutes Marketing, schlechtes Produkt. Oder anders formuliert: Viel Lärm um nichts.

Man verpasst nichts, wenn man auf die Lektüre von „Ein plötzlicher Todesfall“ verzichtet.
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Weitere Beiträge auf Bücher und eBooks zum neuen Roman von J.K. Rowling: Ein plötzlicher Todesfall - erste Rezensionen!

Rowling, J.K. 
Ein plötzlicher Todesfall
Carlsen Verlag, September 2012
ISBN-10: 3551588880
ISBN-13: 978-3551588883576 Seiten
24,90 EUR


Stop the presses ...

... so überschreibt der Macmillan Verlag seine Begründung für das Ende des gedruckten Wörterbuchs und den Umstieg auf das Online-Wörterbuch.

1843 von den schottischen Brüdern Macmillan gegründet umfasst die Macmillan-Gruppe heute diverse Geschäftsbereiche: wissenschaftliche Literatur, Belletristik, Sachbücher sowie Lehrmaterial. Das Unternehmen ist in 70 Ländern tätig. 1999 wurde Macmillan in die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck integriert.

Die wichtigsten Gründe für die Nutzung der neuen Medienform:

  •  Interaktivität, d.h. das Wörterbuch enthält Input von seinen Nutzern und wird so stetig weiter entwickelt
  • Multimedialität, wie Sprachausgabe, Lernspiele etc.
  •  ... und der größte Vorteil: die Aktualität. Wird ein gedrucktes Wörterbuch alle 4 bis 5 Jahre aktualisiert, so geschieht das beim Online-Wörterbuch laufend.



Samstag, 3. November 2012

GASTBEITRAG: Die YouTube-isierung des Büchermarkts

Wie war der Musikmarkt vor YouTube? Die Musikverlage hatten ihre Stars unter Vertrag, die sie promotet haben und in die sie investierten. Die Musiklabels hatten die Kontrolle darüber, ob ein Künstler Zugang zu einem Millionenpublikum erhielt oder nicht. Sie konnten relativ einfach die Regeln definieren, nach denen Künstler ausgewählt und Verträge geschlossen wurden. Was würde den Radiohörern und Musikliebhabern gefallen? Die Entscheidung darüber lag letztlich bei den Verlagen. Damit waren die Musikverlage der Flaschenhals für das Meer an musikalischen Talenten dieser Welt. 

Dann kam YouTube und zerschlug den Flaschenhals. Es lieferte den Musikern eine Plattform, auf der sie sich dem Millionenpublikum präsentieren konnten - ohne intransparentes Auswahlverfahren, ohne Vertrag. Damit wurde das Auswahlverfahren öffentlich gemacht. Stars wurden plötzlich außerhalb des Systems geboren – Alyssa Bernal, Avery, Justin Bieber und viele andere. Verträge bei den Musikverlagen ließen nicht lange auf sich warten.

Kommt uns dies nicht bekannt vor? Gerade erleben wir wie der Flaschenhals im Büchermarkt zerschlagen wird, dank Amazon und den anderen eBook Plattform-Anbietern. Auch auf dem Büchermarkt erleben wir, wie große Buchverlage stark auf ihre etablierten Stars fokussiert sind. Auch hier erleben wir intransparente und sehr zeitintensive Auswahlprozesse. Und auch hier werden gerade die ersten Stars außerhalb des Systems geboren.

Wir leben in der wohl spannendsten Zeit für Autoren.

Gastbeitrag von Paul Sandmann, November 2012

Paul Sandmann ist Indie-Autor. Sein Erstlingswerk, an dem er sechs Jahre lang gearbeitet hat, wird demnächst erscheinen. Schreibe Paul Sandmann auf Twitter unter http://twitter.com/PaulSandmann

Deutlich besser als der Film: Das Buch On the Road von Jack Kerouac

Quelle YouTube: Dizzy Gillespie - Bebop
Im April 1951 schrieb Jack Kerouac, der Legende nach in nur drei Wochen unter dem Einfluss des Amphetamins Benzedrin, „On the Road" auf einer vierzig Meter langen Rolle aus zusammengeklebten Papierbögen. Inzwischen weiß man allerdings, dass „On the Road" „das Produkt jahrelanger Vorarbeiten, quälender, teils widersprüchlicher literaturtheoretischer Überlegungen, unzähliger Notizen und fragmentarischer Anfänge, von denen die ´originale Rolle´ schlicht der erste ist, der auch an ein Ende gefunden hat.“ (Welt Online 2010)

 Die „originale Rolle“ verzichtete ganz auf Absätze und weitgehend auf die Zeichensetzung. Aufgrund der homosexuellen Passagen erschien diese Fassung allerdings erst 2007 in Buchform. Die deutsche Übersetzung durch Ulrich Blumenbach folgte im Jahr 2010. In der Fassung von 2007 sind nicht nur alle sexuellen Passagen enthalten, sondern werden auch die realen Namen der Protagonisten veröffentlicht. So liest sich „On the Road“ wie ein Who-is-Who der Beatnik-Generation. Dem Leser begegnen Neal Cassady, Allen Ginsberg, und William S. Burroughs. Der Erzähler Sal Paradise trägt stark autobiographische Züge.
 

In „On the Road“ geht es um Reisen, um den ultimativen Rausch, zügellosen Sex und Bebop. Die beiden Hauptfiguren, Cassady und Paradise/Kerouac trampen, fahren mit Greyhound-Bussen und mit gestohlenen Autos oder in Hobo-Manier auf Güterzügen kreuz und quer durch die USA. In New York, Chicago, Denver, Kalifornien und schließlich Mexiko treffen sie auf Freunde, schräge Typen, gehen verschiedenen Arbeiten nach, verschaffen sich auch illegal Geld. Es ist ein schnelles, zügelloses Leben, das Jack Kerouac hier in einer rasanten, ja rauschhaften Sprache fesselnd beschreibt. Die wilden Rhythmen des Bebop spielen eine zentrale Rolle und geben den beiden den Lebenstakt vor. „On the Road“ ist der Abgesang auf den rein materialistischen „American Dream“ der Eltern und Großeltern.

Aber wie stellt sich die Alternative dar? Sind die absolute persönliche Freiheit, die jede Verantwortung für sich und andere ablehnt, und der Dauerdrogenrausch wirklich taugliche Gegenentwürfe für eine im Konsum erstarrte Gesellschaft? Die Antwort ist eindeutig: Nein! Das lehrt schon die Biographie Jack Kerouacs. Was macht heute die Faszination der Lektüre aus? Oder anders gefragt: Warum habe ich das Buch bis zum Ende gelesen? Das habe ich, weil mich der Schreibstil mitgerissen hat, und ich mich für die beiden Protagonisten interessiert habe. Zwei junge Männer, die wie auf der Flucht durch die USA hetzen, ganz ohne Ziel, erfüllt von Traurigkeit und Perspektivlosigkeit. Ich wollte wissen, welche Erfahrungen sie machen auf ihrem grandiosen Trip, was sie erleben – und ganz ehrlich, ob es für sie einen Ausweg gibt.

Außerdem ist "On the Road" ein interessanter historischer Bericht über das Nachkriegsamerika. Die schrägen Typen fand ich genauso faszinierend wie die lebendige Beschreibung der Bebop-Szene. Dieser Stoff ist (leider) filmisch nicht adäquat umsetzbar, wie die jüngst in den Kinos angelaufene Verfilmung zeigt.


Quellen und weiterführende Informationen: bookreviewsDeutschland RadioSpiegel Online

Kerouac, Jack
On the Road
Rowohlt 2010
576 Seiten
ISBN-10: 3499253836
ISBN-13: 978-3499253836
24,95 Euro.

Freitag, 2. November 2012

GASTBEITRAG: Der Junge, der Träume schenkte – Luca di Fulvio

Um es gleich am Anfang zu sagen. Dieses Buch ist ganz großes Kino. Im wahrsten Sinne des Wortes. Luca di Fulvio gelingt es, eine großartige Liebesgeschichte zu erzählen. Kurz umschrieben ist dies die Geschichte von Christmas und Ruth.



Eine großartige Liebesgeschichte, das mag anfänglich ziemlich kitschig klingen, ist es aber nicht. Denn dafür sorgt der Autor schon mit der Wahl des Handlungsortes und der Epoche. Die Geschichte spielt im New York der 20er. Die Charaktere kommen zum größten Teil aus den armen Einwanderervierteln, in denen jüdische, italienische oder irische Gangs das Sagen haben. Damit ist für genügend Crime und Gewalt gesorgt, und das Ganze ist somit weit entfernt vom Kitsch.

Die Geschichte beginnt 1908 in Italien. Cetta, ein 14 jähriges Mädchen wird vergewaltigt und bekommt ein Kind, Natale. Mit ihrem Sohn wandert sie nach Amerika aus und hofft dort, wie so viele andere auch, auf ein besseres Leben. Dort angekommen bekommt ihr Sohn von den Behörden einen neuen Namen und heißt von nun an Christmas. Cetta trifft auf einen Zuhälter, der sich ihrer annimmt, und verdient sich von nun an ihren Lebensunterhalt als Hure. Mit ungefähr 14 Jahren trifft Christmas auf Ruth, die er nach einer Vergewaltigung rettet. Aus einer anfänglichen Freundschaft entwickelt sich gegen die Widerstände von Ruths Eltern die erste Liebe. Nachdem Ruths Familie nach Los Angeles zieht, verlieren sich die beiden zunächst aus den Augen… So viel an dieser Stelle zur Handlung.

Eingebettet ist diese Geschichte, wie schon erwähnt, in das Umfeld der New Yorker Gangs, den aufblühenden Radiosendern und der Hollywood-Filmindustrie. „Kulissen“, die dieser Geschichte einen spannenden Rahmen liefern und genau der Stoff, der gerade bei amerikanischen Fernsehserien wie „Boardwalk Empire“ oder „Mad Man“ so erfolgreich inszeniert wird. 

Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit bis Hollywood hier zugreift und dieses Buch verfilmt, wenn nicht HBO schon dran sitzt und aus diesem Buch eine Serie entwickelt. Jedenfalls liefert Luca di Fulvio genügend Charaktere und Handlungsbögen, die ein spannender Mehrteiler braucht.

Also, dieses Buch ist wärmstens zu empfehlen und für mich ein absolutes Highlight. Aber jetzt kommen wir mal zur Kritik: 

Lieber Verlag, was hast du dir eigentlich bei dem Titel und der Covergestaltung gedacht? Den Titel kann man noch irgendwie durchgehen lassen - der italienische Original-Titel ist nicht viel besser. Aber dann noch diese Motivwahl auf dem Cover. Was soll damit eigentlich suggeriert werden? „Oh, was für eine niedliche Geschichte, voll romantisch und zum Träumen?“ Ja, es ist eine großartige Geschichte, aber in dem Buch wir gemordet, reihenweise vergewaltigt und zusammengeschlagen. Teile der Handlung spielen im Pornomilieu. In den Produktionen werden Frauen ebenfalls brutal vergewaltigt, und diese Werke sind kurz davor, in Snuff-Filme abzudriften. Alles Inhalte, die man „selbstverständlich“ hinter dem Titel des Buches und dem niedlichen Foto erwartet. 

Der Klappentext verrät auch nicht so viel von der Handlung, so dass der Leser nicht weiß, wohin sich die Geschichte entwickelt. Ich habe mir die Frage gestellt, ob das Marketing und der Vertrieb von „Bastei Lübbe“ das Buch überhaupt gelesen haben, bevor sie diese Gestaltung freigegeben haben. Ich würde es mal als sehr irreführend bezeichnen. Aber wie heißt es so schön: Du sollst ein Buch nicht nach dem Umschlag bewerten. Inhalt und Gestaltung passen nicht, macht aber nichts, denn man erhält trotzdem ein gutes Buch.

Gastbeitrag von Carsten Behrendt, Oktober 2012


Fulvio, Luca di
Der Junge, der Träume schenkte
784 Seiten
Bastei Lübbe, 19. Auflage 2011
ISBN-10: 3404160614
ISBN-13: 978-3404160617
EURO 9,99

Mittwoch, 31. Oktober 2012

GASTBEITRAG: Sieben Minuten nach Mitternacht – Patrick Ness, Siobhan Dowd

Du musst die Wahrheit aussprechen… 

Du musst die Wahrheit aussprechen, dazu musst du diese erkennen und akzeptieren. Die Wahrheit kann aber auch böse sein, aber nichts ist wirklich nur gut oder böse…



Conor ist dreizehn Jahre alt und seine Mutter hat Krebs im Endstadium. Mit seiner Mutter lebt er, seit sein Vater nach Amerika gezogen ist und eine neue Familie gegründet hat, alleine in England. Er übernimmt viele Pflichten im Haus, um seine Mutter zu unterstützen, aber auch um nicht mehr Zeit als nötig mit seiner Großmutter zu verbringen. Das Haus seiner Großmutter ist kinderunfreundlich, und lieber würde er alleine zu Hause bleiben als bei seiner einzigen nahen Verwandten, wenn zum Beispiel seine Mutter wieder für ein paar Tage zur Behandlung ins Krankenhaus muss.


Quelle YouTube: 
Patrick Ness, Siobhan Dowd -  Sieben Minuten 
nach Mitternacht - cbj -1.16 Minuten

Eines Nachts um sieben Minuten nach Mitternacht taucht ein Monster auf. Ein altes Baummonster, das ihn in den nächsten Nächten drei Geschichten erzählen will, und wenn die Geschichten erzählt sind, ist Conor dran, die vierte zu erzählen – seine Geschichte und die Wahrheit über seine Albträume. Und so beginnt ein Roman, ein Jugendbuch, das ich in dieser Form und Emotionstiefe schon lange nicht mehr gelesen habe. Einmal angefangen zu lesen, habe ich das Buch nicht mehr aus den Händen gelegt bis ich auf der letzten Seite angekommen war.

Bei amazon hat dieses Buch bei ca. 120 Bewertungen fünf Sterne erhalten. Das ist ungewöhnlich, da ja rein statistisch bei einer höheren Anzahl an Bewertungen diese sich eher bei 4,5 oder weniger einpendeln. Diese sehr guten Bewertungen haben mich ein wenig stutzig gemacht und als ich die ersten Seiten gelesen habe, muss ich zugeben, dass ich von dem Buch nicht richtig überzeugt war. Die Geschichte entwickelt sich langsam und endet in einem großen emotionalen Finale, das die Wahrheit ans Licht bringt und Erleichterung für Conor und den Leser bedeutet.

Das Buch hat im Oktober den „Deutschen Jugendliteraturpreis“ gewonnen und zwar den Preis der Jugendjury. Das bedeutet, dass nicht irgendwelche Literaturkritiker dieses Buch ausgewählt haben, sondern die Zielgruppe, also Kinder und Jugendliche selbst, dieses Buch prämiert haben. Meiner Meinung nach haben sie damit eine sehr gute und sehr weise Wahl getroffen. „Sieben Minuten nach Mitternacht“ erzählt eine Geschichte mit viel Fantasie, viel philosophischem Tiefgang und viel Gefühl. Diese Art von Geschichtenerzählen geht in vielen Büchern für Erwachsene oftmals verloren. „Sieben Minuten nach Mitternacht“ ist aber kein reines Buch für Jugendliche, es richtet sich, wie das heutzutage üblich ist, an alle Altersgruppen. Bei amazon kann man diesen Titel in zwei verschieden Versionen erhalten, die sich aber scheinbar nur in der Covergestaltung unterscheiden. Die Version für Erwachsenen kommt in einer etwas „konservativeren“ Titelgestaltung daher. Die Wahl, welche Ausgabe man lesen möchte, muss jeder für sich entscheiden. Der Inhalt bleibt der Gleiche, aber vielleicht ist es peinlich, mit einem Jugendbuch in der U-Bahn gesehen zu werden (dafür gibt es ja E-Books). Den Sinn oder Unsinn von zwei Ausgaben lasse ich mal so im Raum stehen.

Begleitet wird die Geschichte von wunderschönen Illustrationen von Jim Kay, der die Treffen von Conor und dem Monster schön in Szene gesetzt hat. Die Geschichten, die das Monster erzählt, bilden den Mittelpunkt dieses Buches. Zunächst erschließt sich der Sinn dieser Geschichten nicht, aber zum Schluss wird das Ganze zu einer Einheit und der Nebel lichtet sich. Das Monster hilft Conor, die Wahrheit zu finden und zu seinen Gefühlen zu stehen.

Das Erscheinen des Monsters und die Gespräche erinnern ein wenig an japanische Mangas, und ich musste an manchen Stellen an den japanischen Manga-Film „Mein Nachbar Totoro“ denken. Damit will ich nicht die beiden Geschichten vergleichen, denn dafür sind die beiden Werke zu unterschiedlich. Vielmehr ist die Stimmung in dem Buch und dem Film sehr ähnlich. Japanische Autoren und Filmemacher verstehen es so herrlich auf verschiedenen Wirklichkeits- und Zeitebenen zu erzählen. Patrick Ness gelingt dies in diesem Buch hervorragend und er schafft es damit eine interessante und spannende Geschichte zu erzählen. Das Buch fesselt und regt zum Nachdenken an und vermutlich wird der eine oder andere Leser auch nicht ohne Taschentuch auskommen. Beide Daumen hoch, fünf Sterne und dieses Buch ist ein Muss!

Carsten Behrendt, Mülheim an der Ruhr, im Oktober 2012

Ebenfalls mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet und von Carsten Behrendt in Bücher und eBooks besprochen: 

Ness, Patrick
Dowd, Siobhan
Sieben Minuten nach Mitternacht
216 Seiten
cbj  2011
ISBN-10: 3570153746
ISBN-13: 978-3570153741
EUR 16,99

eBooks fördern das Lesen ...

... zu diesem Ergebnis kommt zumindest die top-aktuelle, repräsentative Studie „Digitale Angebote – neue Anreize für das Vorlesen?“, die am 30.10.12 von DIE ZEIT, der Stiftung Lesen und der Deutschen Bahn vorgestellt  wurde.

Gegenstand der Untersuchung war der Einfluss digitaler Medien wie Tablets, Smartphones oder eReader auf das Vorleseverhalten in Familien. Befragt wurden 500 Eltern mit mindestens einem Kind im Alter von zwei bis acht Jahren.

Die Ergebnisse im Überblick:
  • Elektronische Medien sind kein Ersatz für klassische Bilderbücher, sondern eine Ergänzung, das sagen 90% der Befragten.
  • Elektronische Medien erreichen sogenannte "bildungsferne Schichten". Erstaunlich ist, dass  in den Familien der sogenannten "bildungsfernen Schichten" Smartphones und Tablets mit 74 und 27 Prozent fast ebenso verbreitet sind wie in Familien mit formal hoher Bildung (81 und 26 Prozent).
  • Väter, die bisher deutlich seltener vorlesen als Mütter, können über die digitalen  Angebote motiviert werden.
  • Es gibt einen deutlichen, geschlechtsspezifischen Unterschied: Der Anteil der Väter, die dem digitalen Angebot den Vorzug  vor Büchern geben, liegt bei 40 Prozent, bei den Müttern nur bei 20 Prozent.

Quelle: „Digitale Angebote – neue Anreize für das Vorlesen?“