Im August vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg, im Juli vor 100 Jahren vollendet Heinrich Mann seinen Roman „Der Untertan“. Der Aufbau des Romans entspricht dem klassischen Bildungsroman. Diederich Heßling ist dabei ein glaubhaftes Individuum und zugleich der Prototyp des wilhelminischen Bürgertums.

Der Antiheld Diederich Heßling geht in den 1890er Jahren zum Studium nach Berlin. Er verbringt mehr Zeit in seiner deutschnationalen Burschenschaft als an der Universität. Derart „ausgebildet“ kehrt er in seine Heimatstadt zurück. Als bedingungsloser Verehrer und zugleich Zerrbild Wilhelm II. übernimmt er die väterliche Papierfabrik. Der Leser erlebt Diederich Heßling als Stammtisch-Agitator, als Unternehmer-Patriarch und Beherrscher seiner Familie, als Verächter des Proletariats, als Antisemit und als Chauvinist.
Heinrich Mann analysiert die Denkmuster des wilhelminischen Bürgertums sehr detailliert und stellt die gesellschaftlichen Strukturen äußerst realistisch dar. Auch die im Kontrast zur offiziellen Prüderie praktizierten SM-Praktiken im ehelichen Schlafzimmer bleiben dem Leser nicht verborgen.
Der renommierte Historiker Hans-Ulrich Wehler wies in den 1980er Jahren ausdrücklich auf die mit „Der Untertan“ vorgelegte und hervorragend gelungene Gesellschaftsanalyse des wilhelminischen Kaiserreichs hin. Zugleich handelt es sich um eine spannende und kurzweilige Lektüre.
Heinrich Mann
Der Untertan: Roman (Fischer Taschenbibliothek)
640 Seiten
FISCHER Taschenbuch 2012
ISBN-10: 359651231X
ISBN-13: 978-3596512317
14 EURO
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