Freitag, 13. September 2013

Der Fall D. – Eine Stalkerin packt aus … Lohnt sich die Lektüre?

Am Anfang steht die Frage: Warum liest man ein Buch über das Thema Stalken?

Ein Freund von mir wurde auch schon gestalkt, und ich habe miterlebt, wie ihm das Leben zur Hölle gemacht wurde ... Das Buch versprach, beide Seiten zu Wort kommen zu lassen: Täter und Opfer. Denn im Vorwort heißt es: „Als wir, Daniela und ich, im Sommer 2007 mit der Arbeit an diesem Buch begannen“, war ich unsicher, wohin diese Reise führen würde …“ Zwei Frauen, die zusammen ein Buch schreiben, über ihre Beziehung zueinander und vor allem über die Krankheit der einen, das klingt interessant.

Im Vorwort erwähnt die Autorin ein Print-Buch, gemeint ist wohl das im August 2008 Buch „Danielas Männer: Interview mit einer Stalkerin“, und stellt eine neuerliche Auseinandersetzung mit dem Thema, das schließlich in Form des Kindle eBooks erschienen ist, in Aussicht. Laut amazon ist das eBook seit Juli 2011 gelistet.

Zum Inhalt von Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus:

Eva verliert ihre Jugendliebe Tim an die Stalkerin Daniela und freundet sich dann mit dieser Frau im Jahr 1987 an.

Ausführlich schildert Daniela ihr gesamtes Leben, vom Kindergarten bis ins Jahr 2007. Daniela schreibt: „Ich will es nicht schön reden, nicht entschuldigen, aber ich will versuchen mehr Verständnis und Klarheit über mich selbst zu erlangen …“ oder „ich will hier nicht den armen Psycho herauskehren, der sein krankhaftes Handeln in die Verantwortung des ach so schlimmen Elternhauses legt. Es wäre zu bequem und zu gemütlich …“. Doch dann geschieht genau das: Daniela stellt sich selbst ausführlich als Opfer dar:

Das beginnt mit der Familie. Der cholerische Vater, die zu Gefühlsäußerungen unfähige Mutter sowie die an ihr uninteressierten Brüder … Dann folgt die Zurückweisung durch ihre Schulkameraden und Lehrer … sie verletzt sich selbst … sie wird von einem antisemitischen Mitschüler gedemütigt (ihr Vater ist der Sohn jüdischer Eltern, die Familie ist aber protestantisch).

Mit 11 „verliebt“ sie sich in den 16-jährigen Bruder einer Freundin, der dies sexuell ausnutzt. Ob tatsächlich eine Vergewaltigung stattfindet, bleibt letztendlich offen. Es folgt die Beziehung zum 15-jährigen Milosh, der einer Sinti und Roma-Familie angehört, die Daniela zurückweist. Als der Vater des Jungen dessen Mutter erschießt kommt Milosh zu Pflegeeltern. Daniela hat nach eigener Aussage bis heute Kontakt zu Milosh. Eva dagegen schreibt: Es sei nicht eindeutig, „ob es sich bei diesem Zigeunerjungen um eine imaginäre Liebe handelt oder ob es ihn tatsächlich gegeben hat“.

Es folgen eine Abtreibung, Magersucht, ein halbes Jahr in einem israelischen Kibuz und, und, und … Schließlich heiratet Daniela 1989 Evas Exfreund Tim und bekommt bald eine Tochter. Immerhin hält diese Ehe 14 Jahre, bis eine neue „Liebe“ dazwischen kommt. Es folgen unzählige desaströse Kurzbeziehungen und noch eine unglückliche zweijährige Ehe.

2007 ist es schließlich Maik, ein junger Witwer aus dem weiteren Bekanntenkreis, den sie mit dem, was sie für Liebe hält, erdrückt. Detailliert wird geschildert, wie Daniela Maik mit SMSen, eMails und Telefonanrufen belästigt. Sie schleicht um sein Haus, verbreitet Gerüchte über ihn. Eine Stalkerattacke wie aus dem Lehrbuch.

Stalken hat verschiedene Erscheinungsformen. Ihr individuelles Krankheitsbild bringt Daniela selbst auf den Punkt: „Seit meiner frühsten Jugend drehen sich meine Gedanken nur um das andere Geschlecht, sie bestimmen meinen Tagesablauf, lassen andere Talente in mir verkümmern … Stalker wie ich sind Menschen, die anderen das Leben zur Hölle machen können. … Wenn sich der ganze Lebenssinn nur auf Dritte konzentriert, … wenn die Verlustängste und Trennungsschmerzen zum einzigen Lebensinhalt werden, hat keine Normalität … mehr Platz.“

Am Ende des Buches bricht Eva mit der Freundin und rechnet gnadenlos mit ihr ab: „Was mich zweifeln lässt an Danielas Krankheit und angeblicher Sucht, ist die Tatsache, dass sie diese von jetzt auf gleich in den Griff bekommt, sobald es ans Geld geht. … Als medizinischer Laie stelle ich mir vor, dass ein Mensch, der unter Zwangsverhalten leidet, dies nicht einfach abstellen kann und dass es ihm reichlich egal ist, wie teuer ihn diese Sache zu stehen kommt.“ Dann folgen Stellungnahmen von Stalkingopfern, und Eva stellt die kriminelle Seite des Stalkens in den Vordergrund. 

Die Geschichte wird stets aus zwei Perspektiven geschildert. Die Stalkerin Daniela erzählt ihr Leben. Danielas Schilderungen werden von Eva reflektiert und teilweise in ihrem Wahrheitsgehalt angezweifelt. Es gibt keinen chronologischen Ablauf, sondern ein häufiger Zeitenwechsel. Kursiv gesetzte Einschübe aus Tagebuchaufzeichnungen, eMails etc. werden unkommentiert dazwischengeschoben. 

Kein auktorialer Erzähler, sondern zwei Ich-Erzähler. Das suggeriert Authentizität. Dabei sind die sich gegenüberstehenden Passagen sprachlich so ähnlich,dass die Vermutung nahe liegt, dass hier eine Autorin am Werk war.

Beim Kindle eBook gibt es keine Angaben zur Autorin, lediglich bei der Print-Version wird man hier fündig: „Die freie Journalistin und Autorin, die unter dem Pseudonym Eva Jarnowsky schreibt, veröffentlicht regelmäßig Kolumnen und Artikel in einer großen Wochenzeitschrift und war in den letzten 10 Jahren als Ghostwriterin an der Entstehung mehrerer Bücher beteiligt.“

Diese Aussagen mögen zutreffen oder auch nicht. Sprachliche Versiertheit ist vorhanden, die Struktur des Buches ist dagegen weniger professionell. Der Inhalt ist völlig belanglos. Zu dick aufgetragen, zu einfache Lösungen.

Fazit: Die Lektüre war weder spannend, noch hat sie irgendetwas Neues oder Interessantes zum Verständnis des Themas beigetragen. Dieses Buch lohnt sich nicht!

Jarnowsky, Eva
Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
Kindle Edition 
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 169 Seiten 
ASIN: B005FG64K4
EURO 2,68

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