Freitag, 26. April 2013

Zwei Männer aus Olten in der Schweiz: Munzinger Pascha von Alexander Capus

Was haben Max Mohn und Munzinger Pascha gemeinsam? Sie stammen beide aus Olten und versuchen, der Enge der heimatlichen Schweiz zu entfliehen. Was sie trennt ist der zeitliche Abstand von rund 150 Jahren und die Art und Weise, wie sie ihren Ausstieg durchführen.

Max Mohn ist Journalist bei den "Oltner Nachrichten". Er hat sich erst kürzlich von seiner Frau getrennt und ist eine Beziehung mit einer motorradfahrenden Schönen eingegangen. Als er eine Gefälligkkeitsstory über einen spießigen Lokalpolitiker schreiben soll, führt dies zu einer Schreibblockade. Zufällig entdeckt er die Werke eines anderen Oltner Bürgers und entwickelt ein großes Interesse für den Forschungsreisenden, Kaufmann und späteren Generalgouverneur der ägyptischen Provinzen am Roten Meer (Eritra) Werner Munzinger.



Kurzerhand bucht der frustrierte Max Mohn eine Billigreise nach Kairo und kopiert in den dortigen Archiven Briefe und Tagebücher des Werner Munzinger.

Werner Munzinger arbeitete für eine französische Handelsfirma, heiratete eine Einheimische, nahm an einer Expedition teil, um den verschollenen deutschen Forscher Eduard Vogel zu finden, und an einem Feldzug der Briten gegen den Kaiser von Äthiopien. In seinem Todesjahr regiert Munzinger Pascha über „zwei Millionen Menschen; sein Reich ist dreimal so groß wie die Schweiz …“

Der Leser erfährt interessante historische Details über das Afrika des 19. Jahrhunderts. Alex Capus zeichnet das Bild eines sympathischen Mannes, der aber am Ende seines Lebens zu einer interessanten Einsicht kommt: „Es ist viel schöner zu Hause als bei den Wilden und Halbwilden; es ist viel mehr wahre Poesie zu Hause als in ganz Afrika. Eine ärmliche Existenz in der Heimat ist mehr wert als tausend Abenteuer in der Ferne.“

Erst im Nachwort weißt der Autor auf Widersprüche der Quellen und damit der Person Werner Munzinger hin. Wohl die meisten Dokumente sprechen von Werner Munzinger als einem Gelehrten, der bei den Abessiniern hohes Ansehen genoss. Andere Zeugnisse nennen ihn einen „skrupellosen Ehrgeizling“, einen „Sklavenhändler“ und „Blutsauger“. Der Autor zieht sich geschickt aus der Affäre: „All das sind Fragen, die ich nicht zu beantworten vermag, und ich fürchte, dass niemand je dazu in der Lage sein wird.“

Und wie entkommt der Oltener Journalist der provinziellen Enge? Max Mohn begibt sich mit seiner neuen Freundin Polja via Motorrad auf Entdeckungstour durch Europa und schreibt die Biographie des Werner Munzinger.

Alex Capus findet bereits in seinem Erstlingswert, das 1995 bis 1996 entstand, zum angenehmen Plauderton und zur unterschwelligen Ironie, die das Lesen seiner Bücher so angenehm macht.

Capus, Alexander
Munzinger Pascha
Deutscher Taschenbuch Verlag; Überarb. Auflage 2003
224 Seiten
ISBN 978-3-423-13076-9
EUR 8,90

Weitere Rezensionen zu Alexander Capus: Fast ein bisschen Frühling und Skidoo

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