Sonntag, 2. Dezember 2012

GASTBEITRAG von Carsten Behrendt: Er ist wieder da – Timur Vermes

„Ach, wie lustig und so Messed Ekting“

„Was sind eigentlich Lachs Alven?“, wurde ich von Kurzem von meiner Tochter, während sie ihre Hausaufgaben machte, gefragt. Lachsalven waren gemeint, das ist, wenn man ganz plötzlich ganz viel Lachen muss, weil man z. B. ein lustiges Buch liest. Also nicht gerade „Er ist wieder da“, weil da musste ich erst bis Seite 70 lesen, bis das erste Mal die Lachmuskeln aktiviert wurden. Dann gab es eine lange Pause bis Seite 387, und zehn Seiten später war das Buch mit dem vorletzten Satz „Es war nicht alles schlecht“ dann zum Glück auch zu Ende. Und es war doch schlecht. Lustige und humorvolle Bücher gehen anders. Oder ich habe das Buch einfach nicht verstanden, was natürlich auch sein kann und vermutlich die einfachste Erklärung ist.

Durch irgendwelche Irrwege oder physischen Experimente oder sonst so einen Zufall, den das Universum so manchmal zulässt, taucht der echte Adolf Hitler im Berlin des Jahres 2011 wieder auf. Ganz plötzlich und ohne Vorwarnung. Und was würde ein Hitler heute so machen oder was würden wir mit einem Hitler heute anstellen. Richtig, ins Fernsehen bringen und als Comedian arbeiten lassen. Da kann er seine Reden halten, und alle finden das witzig. Denn so einen Mist, den er von sich gibt, kann man nur als Realsatire verstehen und nicht ernst nehmen. Das Traurige ist, er meint es ernst, und da die ganze Geschichte aus der Ich-Perspektiv von Hitler erzählt wird, bekommt der Leser ungefiltert die „lustigen“ Gedankengänge auch gleich serviert.

Übrigens, das Thema Juden ist nicht lustig, was natürlich die Produzenten etc. ihrer Neuentdeckung immer wieder mit auf den Weg geben. Erschreckend wird dies deutlich, als Hitler seiner Assistentin, die die ganze Zeit in einem ach so lustigen Berliner Dialekt spricht, davon abhält zu kündigen. Seine Assistentin hatte erst vor Kurzem von ihrer Großmutter erfahren, dass Hitler den Großteil ihrer Familie vergast hat, da diese Juden waren. Warum sie diesen familiären Hintergrund erst jetzt erfährt, bleibt unklar. Aus Respekt vor den Gefühlen ihrer Großmutter will sie aber nicht mehr für die „Kunstfigur“ Hitler arbeiten. Redegewandt kann Hitler sie aber überzeugen, doch weiter für ihn zu arbeiten. Schließlich verkuppelt er sie auch noch mit einem weiteren Mitarbeiter. Aber gut, dass dadurch wenigstens ein Teil ihrer Familiengeschichte aufgearbeitet wird.

Was wirklich Bedeutendes passiert in diesem Buch nicht, und nach über 390 Seiten ist es dann auch einfach so zu Ende. Die Frage, die sich stellt, ist, wie man auf so eine Buchidee eigentlich kommt. O.k. das Thema Hitler ist schon seit Langem ein immer wieder gern genommenes Thema für eine Comedy. Wer sich diesem Thema annimmt, muss aber sorgfältig damit umgehen. Ich persönlich glaube, das Universum wollte uns testen, wie verantwortungsvoll man mit so einer Idee umgeht und nachdem jetzt dieses Buch erschienen ist, hat sich das Universum entschieden, doch den Gesetzen des Maya-Kalenders zu folgen und die Welt am 21. (oder war es der 22.) Dezember zu vernichten. Und man darf dem Universum auch gar nicht Böse sein, das Urteil ist durchaus gerechtfertig. Danke Timur, muss ich wenigstens keine Weihnachtsgeschenke kaufen.

So wenig wie die Welt am 21. oder 22. Dezember untergeht, so wenig lustig ist das Buch. Es wird so tief in die Klischeekiste gegriffen und jeder noch so vorhersehbare Witz gebracht. Wie würde eine Person reagieren, die ca. sechzig Jahre nicht auf der Welt war und plötzlich wieder auftaucht. Was würde diese Person von unserer Zeit denken, wenn diese einen Nachmittag Privatfernsehen angeschaut hat. Da fallen einem vermutlich so einige Witze ein und genau diese wurde von Timur Vermes alle sorgfältig gesammelt und aufgeschrieben. Bei so manchem Kommentar der Figur Hitler bleibt einem das Lachen im Halse stecken, was durchaus ein Merkmal guter Satire ist. Das Ganze ist eine Gratwanderung und ist dann tatsächlich nach hinten losgegangen. Vielleicht will ich mich auch einfach nicht auf dieses Humor-Niveau einlassen. 

Deshalb lautet für mich das Fazit, dass ich diesen Humor nicht teilen will und deshalb in den Garten gehe um das Buch zu verbrennen. Ne, lieber doch nicht, das macht man in Deutschland nicht. Dann doch bei Rebuy verkaufen und weg damit. Da bekommt man noch richtig Geld dafür.

Das schlechteste Buch, das ich seit Langem gelesen habe.

Carsten Behrendt, Mülheim an der Ruhr, im Dezember 2012

Vermes, Timur
Er ist wieder da
400 Seiten
Eichborn Verlag 2012
ISBN-10: 3847905171
ISBN-13: 978-3847905172
EUR 19,33 [Der Preis soll wohl auch spaßig sein!? HF]

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