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Joseph Fouché, Gemälde 18. Jhd.
Quelle: wikimedia commons
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Seine romanhafte Biographie des Joseph Fouché ist das schon sprachlich eindrucksvolle Portrait eines politischen Opportunisten. Stefan Zweig erzählt in dem 1929 veröffentlichen Werk, wie Joseph Fouché als Abgeordneter der Nationalversammlung für die Hinrichtung Ludwig XVI. stimmt, als Revolutionär traurige Berühmtheit als Schlächter von Lyon erlangt, dem Direktorium und Napoleon als Polizeiminister dient und schließlich wiederum die Seiten wechselt und Ludwig XVIII. unterstützt.
Stefan Zweig schildert, wie Fouché „im psychologischen Zweikampf einen Napoleon und einen Robespierre besiegte“ (Vorwort), und wie er maßgeblich zu deren Sturz beitrug. Das ist keine Heldenbiographie, sondern die Lebensgeschichte eines Intriganten, der keine persönliche Loyalität und keine politische Überzeugung kennt. Beschrieben wird er vom Autor folgendermaßen: „ … fischhaft kalt die Augen unter schweren, fast schläfrigen Lidern, die Pupillen katzengrau wie kugeliges Glas. …. auch seelisch gehört er zur Rasse der Kaltblüter. Er kennt keine groben mitreiβenden Leidenschaften, ist nicht zu Frauen getrieben und nicht zum Spiel, er trinkt keinen Wein, er freut sich nicht an der Verschwendung, er läβt seine Muskeln nicht spielen, er lebt nur in Zimmer zwischen Akten und Papieren.“ (1. Kapitel)
Stefan Zweig erläutert selbst, warum er die Biographie eines solchen Opportunisten ohne jeglichen sympathischen Wesenszug schrieb: „Es kostet einige Anstrengung, sich vorzustellen, daß der gleiche Mensch, mit gleicher Haut und gleichen Haaren 1790 Priesterlehrer und 1792 schon Kirchenplünderer, 1793 Kommunist und fünf Jahre später schon mehrfacher Millionär und abermals zehn Jahre später Herzog von Ottanto war. Aber je verwegener in seinen Verwandlungen, umso interessanter trat mir der Charakter oder vielmehr Nichtcharakter dieses vollkommensten Machiavellisten der Neuzeit entgegen, immer anreizender wurde mir sein ganz in Hintergründe und Heimlichkeiten gehülltes politisches Leben, immer eigenartiger, ja dämonischer seine Natur.“ (Vorwort) Es fasziniert Stefan Zweig, wie solche „Hintergrundgestalten“ den Lauf der Dinge, das „Weltschicksal“ bestimmen und selbst einen Napoleon manipulieren.
Es mag am Zeithorizont des Autors, der sich 1942 aus Verzweiflung über den Verlauf des 2. Weltkriegs das Leben nahm, liegen, dass er Joseph Fouché für den vorherrschenden Politikertypus hielt.
Fazit: Die eindrucksvolle Sprachgewalt des Autors, die spannende Geschichte als solche und das Erstaunen über den Antihelden und dessen Wandlungen garantieren ein grandioses Leseerlebnis.
Zweig, Stefan
Joseph Fouché, Bildnis eines politischen Menschen von
Fischer 2010
288 Seiten
ISBN-10: 3596219159
ISBN-13: 978-3596219155
Taschenbuch 9,95 EURO
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