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Bruno zieht mit seiner Familie nach Auschwitz, da sein Vater als Kommandeur die Aufsicht über das Konzentrationslager übernommen hat. Bruno ist von diesem Umzug von Berlin nach Aus-Wisch, wie er es immer nennt, nicht begeistert, denn er muss Freunde und seine Großeltern zurücklassen. Außerdem wohnt er jetzt nur noch in einem dreistöckigen Haus und das Haus in Berlin hatte fünf Stockwerke. Es gibt auch keine Kinder mit den er spielen kann, obwohl, wenn er aus seinem Fenster sieht, hinter dem großen Zaun, doch so viele rumlaufen und alle so bequeme Pyjamas anhaben (sagt Bruno). Auf seinen nachmittäglichen Erkundungsgängen trifft er eines Tages einen Jungen am Zaun und trifft sich von nun an fast täglich mit ihm. Schmuel, so wie Bruno den Jungen nennt, erzählt ihn vom Leben auf seiner Seite des Zauns. Bruno ist aber zu naiv und, ich würde mal sagen, einfach zu dumm, um zu begreifen, was sich hinter dem Stacheldraht eigentlich abspielt. Denn hinter dem Zaun befinden sich keine Cafés und Gemüsehändler, wie in Berlin.
So viel zur groben Beschreibung der Handlung. Und jetzt das große Problem, das ich mit dem Buch habe. Bruno ist 9 Jahre und sein Vater ein Obernazi. Es kann nicht sein, dass Bruno von Adolf Hitler, den Juden und der gesamten Propaganda nichts mitbekommen hat bzw. nichts weiß. Es scheint, als ob John Boyne an dieser Stelle einfach nur schlecht oder gar nicht recherchiert hat. Mit der Wirklichkeit hat das Ganze absolut nichts zu tun und das finde ich bei diesem Buch schon fast gefährlich.
Brunos angebliche Naivität ist einfach nur Dummheit. Er spricht ständig Namen falsch aus: Aus-Wisch, Schmuel und der Furor. Den Furor scheint der Sohn eines Nazikommandanten und wohnhaft in Berlin nicht zu kennen. Waren Bilder vom Furor nicht in jedem Klassenzimmer der damaligen Zeit anzufinden? Den Furor und diese blonde Frau lernt er bei einem Abendessen im Haus seiner Eltern kennen. Kurz danach steht der Umzug der Familie nach Aus-Witsch an. Bruno weiß nichts über Juden, warum sie hinter den Zaun gefangen gehalten werden und was Polen ist, in dem Land er sich gerade befindet. Diese „Naivität“ ist einfach zu viel und wird, erzählerische Freiheit mal außen vor, mit jeder Seite abstruser. Klar kann man hier argumentieren, dass durch die naiven Augen von Bruno der Leser die grausame Welt des Nationalsozialismus und des Holocaust kennenlernen und entdecken soll, aber meiner Meinung nach hat sich der Autor hier gehörig verzettelt.
Die Gespräche zwischen Bruno und Schmuel spieglen nur in den Zwischentönen die Grausamkeit von Auschwitz wieder, und auch hier lässt sich argumentieren, dass das Buch sich an Kinder wendet und diese nicht mit dem Holzhammer an das Thema herangeführt werden sollen. Aber so wie John Boyne es hier versucht, funktioniert es meiner Meinung nach nicht, den Tatsachen sind Tatsachen. Positiv anmerken möchte ich, dass das Buch Raum für Diskussionen über literarische Stilmittel lässt. Zum Beispiel kann man Bruno als Metapher für die angeblich nichtwissenden Deutschen verstehen, die nichts mitbekommen haben, während sie aus dem Fenster auf das Lager schauen konnten. Diese Diskussion möchte ich an dieser Stelle aber nicht weiter ausführen. Und ich bin überzeugt, dass 12-15 Jährige, für die dieses Buch gedacht ist, auch nicht ohne Anleitung auf diese Gedanken kommen werden. Ich kann dieses Buch nicht empfehlen und bin froh, dass ich es vor meinen Kindern gelesen habe, denen ich das Buch jetzt nicht mehr geben werde. Dann doch lieber „Das Tagebuch der Anne Frank“ oder „Damals war es Friedrich“.
Boyne, John
Der Junge im gestreiften Pyjama
Fischer Schatzinsel 2012
272 Seiten
ISBN-10: 3596806836
ISBN-13: 978-3596806836
Empfohlenes Alter: 12 - 15 Jahre
Taschenbuchausgabe 7,95 €
Carsten Behrendt, Mülheim an der Ruhr, im Juli 2012
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