Es gibt schon eine Menge Superhelden. Doch die Welt braucht ab und zu mal wieder einen Neuen. Jetzt wird die Riege der Superhelden ergänzt durch iBoy.
Eigentlich heißt der 16 jährige Junge mit Superkräften Tom Harvey, aber jeder Superheld braucht einen Supernamen. Und da er seine Kräfte einem Zusammenstoß mit einem iPhone verdankt, liegt der Name auf der Hand. Nun der Reihe nach.
Tom wird durch ein aus dem 30. Stock geworfenen iPhone am Kopf getroffen. Das Gerät durchschlägt seine Schädeldecke, und Teile des iPhones verbinden sich mit seinem Gehirn. Als er aus dem Koma erwacht, ist sein Gehirn ständig mit dem Internet verbunden. Er kann sich in alle Netze und Systeme hacken, E-Mails lesen, Handy Gespräche mithören, Gespräche führen, Fotos machen Filme aufnehmen und Stromstöße, die seine Gegner außer Gefecht setzen, abgeben. Alles, was er braucht, ist Netzempfang, und er kann auf all diese Fähigkeiten zugreifen. Die Frage, die sich ihm nun stellt, ist, was man mit solchen neuen Fähigkeiten alles anstellen kann?
Rache ist ein Motiv seiner Handlungen als neugeborener Superheld. Er rächt sich an den Vergewaltigern seiner Schulfreundin und mischt die Gangs der Gegend auf. Das Ganze klingt natürlich mehr als ein Plot einer neuen Superhelden-Comic-Serie. Das könnte es natürlich auch sein, denn genügend Stoff dazu liefert diese Geschichte auch. Ich kann mir auch vorstellen, dass in ein paar Jahren die Geschichte als Comic-Serie erscheinen wird. Bis es soweit ist, muss man sich mit dem ca. 290 Seiten langen Buch begnügen. Das Buch bietet aber mehr als eine mögliche Comic-Vorlage, sonst wäre es nicht für den „Deutschen Jugendliteraturpreis“ nominiert.
„iBoy“ zeigt das harte Leben im Londoner Hochhaus-Getto, das von Gangs kontrolliert wird. Alle Bewohner halten dicht, weil sie Angst haben, ins Visier der Gangs zu geraten und das nächste Opfer zu werden. Deshalb werden auch die Vergewaltiger nicht festgenommen, da das Opfer sich nicht traut, auszusagen. Hier greift iBoy ein, und es beginnt eine durchaus spannende Geschichte begleitet von iBoys inneren Zwiegesprächen. Wie viel Recht darf er selbst in die Hand nehmen, darf er selbst Grenzen übertreten, um Kriminelle zu überführen?
Diese Zwiegespräche und die Schuldgefühle von iBoy sind in Superheldengeschichten auch nichts Neues. Man weiß ja, welche dunklen Gefühle und Gedanken Batman zu seinen Taten antreiben. Kevin Brooks schafft es, mit dieser Geschichte das Thema zeitgemäß und in einer jungendgerechten Schreibweise zu erzählen. Ich wage es aber zu bezweifeln, dass diese Tiefe bei den jungen Lesern wirklich ankommt. Die „Aktionen“-Szenen werden das sein, was bei den Lesern zunächst im Kopf hängen bleibt und Eindruck hinterlässt. Was würde man selbst mit solchen Fähigkeiten anfangen und an welchen ungeliebten Mitschülern würde man sich vielleicht rächen wollen. Das sind Fragen und Themen, die die jungen Leser vermutlich mehr beschäftigen. Trotzdem regt das Buch zu Diskussionen an und wird demnächst garantiert in einigen Schulen als Schullektüre auftauchen. Oder, für die Eltern hier, lest das Buch, bevor ihr es euren Kindern zu lesen gebt. Und man darf auch mal im Familienkreis über ein Buch reden.
Mein empfohlenes Lesealter liegt bei 13/14. Ob das Buch im Herbst den Preis gewinnt, steht noch in den Sternen. Ich vermute mal eher nicht. Aber nicht jedes gute Buch muss einen Preis gewinnen. Wer demnächst ein gutes Buchgeschenk braucht, mit iBoy liegt man nicht daneben.
Brooks, Kevin
iBoy
DTV 2011
ISBN 342-324845-9
300 Seiten
Taschenbuch 13,90 EURO (auch als Hörbuch auf CD erhältlich)
Carsten Behrendt, Mülheim an der Ruhr, im Juli 2012
Carsten Behrendt, Mülheim an der Ruhr, im Juli 2012
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