Im Mittelpunkt der Handlung steht eine intelligente Frau, die Begine Almut, die selbstbewusst die "Grundwahrheiten“ ihrer Zeit hinterfragt. Und das ist nicht ganz ungefährlich, wie sich im Laufe der Geschichte zeigen wird. Dieser emanzipatorische Ansatz durchzieht die gesamte Handlung, die jedoch in erster Linie von einem spannenden Kriminalfall geprägt wird.
Der Sohn eines französischen Geschäftspartners des Weinhändlers de Lipa, Jean de Champol, leidet an einer Lungenkrankheit. Almut bringt dem Erkrankten eine Hustenmedizin aus der Apotheke des Konvents, kurze Zeit später stirbt der Kranke. Der Spiegel, mit dem Almut die Atmung des jungen Franzosen überprüfen will, ist schwarz angelaufen. Der Weinhändler de Lipa bezeichnet Almut als Giftmörderin. Die Begine ist bekannt für ihre Diskussionsfreudigkeit und ihre vom Dogma abweichenden Ansichten. Der fanatische Inquisitor Johannes will diese Gelegenheit für eine Abrechnung nutzen.
Almut macht sich daran, ihre Unschuld zu beweisen und den Tod des jungen Franzosen aufzuklären. Sie entdeckt dabei die Verstrickung des Toten in betrügerische Weingeschäfte. Unterstützt wird sie bei ihren „Ermittlungsarbeiten“ durch die „maurische Hure“, ihre Halbschwester, wie der Leser im Laufe der Geschichte erfährt. Auch der Beichtvater des jungen Franzosen, Pater Ivo, wird zu ihrem Verbündeten. Er rettet sie listenreich vor dem Zugriff des Inquisitors. Die Zuneigung zwischen den beiden wächst zusehends. Doch bleiben diese Gefühle unerfüllt.
Man verschlingt die Seiten, um der Begine Almut bei ihrer Aufdeckung der Verstrickungen, die zum Tod des Jean de Champol geführt haben, zu folgen. Ein von der Autorin glaubhaft gesponnenes Geflecht aus Eifersucht, Untreue, Erpressung, Leidenschaft und Habgier wird offenbar. Als Almut der Wahrheit zu nahe kommt, wird sie fast selbst Opfer eines Mordanschlags.
An manchen Stellen durchbricht Andrea Schacht in ihrem emanzipatorischen Ansatz deutlich die historischen Grenzen ihrer Protagonisten. So wird im Konvent der Beginen - schon rd. 150 Jahre bevor Luther diese Idee kommen sollte - die Bibel übersetzt. Was ihre intellektuelle Selbstständigkeit und ihr selbstbewusstes Auftreten angeht, passen die weiblichen Akteure eher ins 21. als ins 14.Jahrhundert. Dennoch ist „Der dunkle Spiegel“ ein lesenswertes Buch, angefüllt mit witzigen, schlagfertigen Dialogen, unerwarteten Wendungen und Passagen voller Humor.
Meint man als Leser schon sehr früh, erkannt zu haben, wohin die Geschichte steuert, so wird man doch immer wieder von den spannenden Wendungen überrascht.
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