Kracht, Christian
Imperium
Kiepenheuer und Witsch 2012
256 Seiten
ISBN: 978-3-462-04131-6Imperium
Kiepenheuer und Witsch 2012
256 Seiten
„An Bord … befand sich also der junge August Engelhardt aus Nürnberg, Bartträger, Vegetarier, Nudist … nun reist er nach Neupommern, um Land zu kaufen für eine Kokosplantage … Er würde Pflanzer werden, doch nicht aus Profitgier, sondern aus zutiefst empfundenem Glauben, er könne Kraft seiner großen Idee die Welt … für immer verändern.“ Für Engelhardt ist die Kokosnuss die Krone der Schöpfung, denn sie liefert Nahrung, Baumaterial für Möbel und Häuser, Fasern für Kleidung etc. „… seine Bestimmung war es, eine Kolonie der Kokovaren zu erschaffen, als Prophet sah er sich und als Missionar zugleich.“ (S.19 und S.20) Damit ist auch schon das Wesentliche zum Inhalt und zum Protagonisten von „Imperium“ gesagt.
Der spätere Ver-„Führer“ der Deutschen erscheint als biographischer Gegenentwurf zu Engelhardt: „So wird nun stellvertretend die Geschichte nur eines Deutschen erzählt werden, eines Romantikers, der wie so viele dieser Spezies verhinderter Künstler war, und wenn dabei manchmal Parallelen zu einem späteren deutschen Romantiker und Vegetarier ins Bewusstsein dringen, der vielleicht lieber bei seiner Staffelei geblieben wäre, so ist dies durchaus beabsichtigt und sinnigerweise, Verzeihung, in nuce auch kohärent.“ (S. 18 und S.19) Kracht beschreibt Hitler als „kleine[n] Vegetarier, eine absurde schwarze Zahnbürste unter der Nase“ und sieht „die Todessymphonie der Deutschen“ kommen. (S.79) Keine große Leistung, wenn man 2011 ein Buch schreibt.
Diese deutliche Distanzierung vom Nationalsozialismus sowie die doch öfters im Roman anklingende Abscheu vor der barbarischen Bestrafung der Eingeborenen wegen Nichtigkeiten und die Schilderung der ausbeuterischen Absichten der weißen Herren lassen den „Türsteher-Vergleich“ und den Vorwurf, rechtes Gedankengut zu propagieren, zumindest was diesen Roman betrifft, als unzutreffend erscheinen. Zwar stellt die Hauptfigur des Romans einmal deutlich fest, dass auf seiner Insel Kabakon „mitnichten eine Demokratie und ein kommunistisches, infantiles Miteinander herrsche …“, sondern er alleine bestimme, „wohin es gehe“ (S.185). Aber da leidet er bereits an krankheitsbedingtem Verfolgungswahn.
Dennoch bleibt festzustellen, dass die koloniale Wirklichkeit Deutsch-Neupommerns sowie die politischen und gesellschaftlichen Umstände der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts deutlich am Rande der Haupthandlung stehen. Von Zeit zu Zeit werden sie stroboskopisch beleuchtet, aber nie vertieft.
Nur zwei Anhänger leben mit Engelhardt auf der Insel der Kokovaren. Da ist Aueckens, ein Pädophiler, der Engelhardts jugendlichen Diener Makeli vergewaltigt und von oder mit einer Kokosnuss erschlagen wird. Es bleibt offen, ob es sich um einen Unfall durch eine zufällig herabfallende Kokosnuss handelt oder ob Engelhardt ihn tötet. Und dann ist da noch Max Lützow, ein überspannter Musiker, der von seinen eingebildeten Krankheiten geheilt die Insel der Kokovaren in Deutschland publik macht, so dass 25 jugendliche Jünger anreisen, die vom Gouverneur schnell wieder zurückgeschickt werden. Es kommt zum Zerwürfnis mit dem Musiker, und Engelhardt bleibt alleine auf seiner Insel zurück. Der Gouverneur will Engelhardt töten lassen, doch sein Handlanger weigert sich.
Vor den Australiern, die im 1. Weltkrieg die Insel besetzen, flieht Engelhardt in den Busch. Und es sind amerikanische Soldaten, die ihn 1945 völlig verwahrlost und krank in seinem Versteck finden.
Vergleichen wir mal das, was der Verlag zu „Imperium“ sagt oder besser verspricht, mit meinen Leseerfahrungen:
„In Imperium erzählt Christian Kracht eine Aussteigergeschichte in den deutschen Kolonien der Südsee, indem er virtuos und gut gelaunt mit den Formen des historischen Abenteuerromans eines Melville, Joseph Conrad, Robert Louis Stevenson oder Jack London spielt.“ Aber weder bei „Moby Dick“, noch bei „Herz der Finsternis“ oder der „Schatzinsel“ oder den zahlreichen Geschichten von Jack London habe ich mich je gelangweilt oder empfand den Schreibstil als aufgesetzt und gekünstelt. Irgendwie hatte ich beim Lesen den Eindruck, dass der Autor hier als schlechter Imitator einem großen schriftstellerischen Vorbild folgt. Als ich dann die Rezension von Sabine Vogel in der Berliner Zeitung las, bekam ich Klarheit über diese Ahnung. Und Sabine Vogel bringt es auf den Nenner: „Krachts gespreizter Manieriertheit dieser scheinbar Thomas Mann imitierenden Sprache nervt ziemlich bald.“
„Doch in der Abgeschiedenheit der Südsee, in einer Kolonie des wilhelminischen Deutschland, gerät ein von einem vegetarischen Spleen besessener Sonnenanbeter in eine Spirale des Wahnsinns, die die Abgründe des 20. Jahrhunderts ahnungsvoll vorwegnimmt.“ Ja, das stimmt: Engelhardt, dieser unsympathische Antiheld mit seiner unsinnigen Ideologie deren tiefster Sinn – gibt es überhaupt einen? – mir völlig verborgen bleibt, wird wahnsinnig. Aber: "die die Abgründe des 20. Jahrhunderts ahnungsvoll vorwegnimmt“, das ist dann doch zu dick aufgetragen.
Der spätere Ver-„Führer“ der Deutschen erscheint als biographischer Gegenentwurf zu Engelhardt: „So wird nun stellvertretend die Geschichte nur eines Deutschen erzählt werden, eines Romantikers, der wie so viele dieser Spezies verhinderter Künstler war, und wenn dabei manchmal Parallelen zu einem späteren deutschen Romantiker und Vegetarier ins Bewusstsein dringen, der vielleicht lieber bei seiner Staffelei geblieben wäre, so ist dies durchaus beabsichtigt und sinnigerweise, Verzeihung, in nuce auch kohärent.“ (S. 18 und S.19) Kracht beschreibt Hitler als „kleine[n] Vegetarier, eine absurde schwarze Zahnbürste unter der Nase“ und sieht „die Todessymphonie der Deutschen“ kommen. (S.79) Keine große Leistung, wenn man 2011 ein Buch schreibt.
Diese deutliche Distanzierung vom Nationalsozialismus sowie die doch öfters im Roman anklingende Abscheu vor der barbarischen Bestrafung der Eingeborenen wegen Nichtigkeiten und die Schilderung der ausbeuterischen Absichten der weißen Herren lassen den „Türsteher-Vergleich“ und den Vorwurf, rechtes Gedankengut zu propagieren, zumindest was diesen Roman betrifft, als unzutreffend erscheinen. Zwar stellt die Hauptfigur des Romans einmal deutlich fest, dass auf seiner Insel Kabakon „mitnichten eine Demokratie und ein kommunistisches, infantiles Miteinander herrsche …“, sondern er alleine bestimme, „wohin es gehe“ (S.185). Aber da leidet er bereits an krankheitsbedingtem Verfolgungswahn.
Dennoch bleibt festzustellen, dass die koloniale Wirklichkeit Deutsch-Neupommerns sowie die politischen und gesellschaftlichen Umstände der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts deutlich am Rande der Haupthandlung stehen. Von Zeit zu Zeit werden sie stroboskopisch beleuchtet, aber nie vertieft.
Nur zwei Anhänger leben mit Engelhardt auf der Insel der Kokovaren. Da ist Aueckens, ein Pädophiler, der Engelhardts jugendlichen Diener Makeli vergewaltigt und von oder mit einer Kokosnuss erschlagen wird. Es bleibt offen, ob es sich um einen Unfall durch eine zufällig herabfallende Kokosnuss handelt oder ob Engelhardt ihn tötet. Und dann ist da noch Max Lützow, ein überspannter Musiker, der von seinen eingebildeten Krankheiten geheilt die Insel der Kokovaren in Deutschland publik macht, so dass 25 jugendliche Jünger anreisen, die vom Gouverneur schnell wieder zurückgeschickt werden. Es kommt zum Zerwürfnis mit dem Musiker, und Engelhardt bleibt alleine auf seiner Insel zurück. Der Gouverneur will Engelhardt töten lassen, doch sein Handlanger weigert sich.
Vor den Australiern, die im 1. Weltkrieg die Insel besetzen, flieht Engelhardt in den Busch. Und es sind amerikanische Soldaten, die ihn 1945 völlig verwahrlost und krank in seinem Versteck finden.
Vergleichen wir mal das, was der Verlag zu „Imperium“ sagt oder besser verspricht, mit meinen Leseerfahrungen:
„In Imperium erzählt Christian Kracht eine Aussteigergeschichte in den deutschen Kolonien der Südsee, indem er virtuos und gut gelaunt mit den Formen des historischen Abenteuerromans eines Melville, Joseph Conrad, Robert Louis Stevenson oder Jack London spielt.“ Aber weder bei „Moby Dick“, noch bei „Herz der Finsternis“ oder der „Schatzinsel“ oder den zahlreichen Geschichten von Jack London habe ich mich je gelangweilt oder empfand den Schreibstil als aufgesetzt und gekünstelt. Irgendwie hatte ich beim Lesen den Eindruck, dass der Autor hier als schlechter Imitator einem großen schriftstellerischen Vorbild folgt. Als ich dann die Rezension von Sabine Vogel in der Berliner Zeitung las, bekam ich Klarheit über diese Ahnung. Und Sabine Vogel bringt es auf den Nenner: „Krachts gespreizter Manieriertheit dieser scheinbar Thomas Mann imitierenden Sprache nervt ziemlich bald.“
„Doch in der Abgeschiedenheit der Südsee, in einer Kolonie des wilhelminischen Deutschland, gerät ein von einem vegetarischen Spleen besessener Sonnenanbeter in eine Spirale des Wahnsinns, die die Abgründe des 20. Jahrhunderts ahnungsvoll vorwegnimmt.“ Ja, das stimmt: Engelhardt, dieser unsympathische Antiheld mit seiner unsinnigen Ideologie deren tiefster Sinn – gibt es überhaupt einen? – mir völlig verborgen bleibt, wird wahnsinnig. Aber: "die die Abgründe des 20. Jahrhunderts ahnungsvoll vorwegnimmt“, das ist dann doch zu dick aufgetragen.
Wie gesagt, die politischen und gesellschaftlichen Hintergründe huschen lediglich vorbei. Um nochmals auf Thomas Mann zurückzukommen: Wer ein wirklich eindrückliches Bild von der Gesellschaft am Vorabend des 1. Weltkrieges geschildert haben will, der sollte den „Zauberberg“ von 1924 lesen.
„In seinem vierten Roman zeichnet Christian Kracht die groteske, verlorene Welt von Deutsch-Neuguinea, eine Welt, die dem Untergang geweiht ist und in der sich doch unsere Gegenwart seltsam spiegelt.“ Es tut mir wirklich leid, auch die behauptete Spiegelung der Gegenwart blieb mir verborgen.
„Zugleich aber ist Christian Krachts Imperium eine erstaunliche, immer wieder auch komische Studie über die Zerbrechlichkeit und Vermessenheit menschlichen Handelns.“ Es handelt sich um einen dem Wahnsinn erliegenden Vegetarier und Nudisten, der an die Allmacht der Kokosnuss glaubt. Wo ist der angebliche Bezug zur „Vermessenheit menschlichen Handelns“? (Zitate aus kiwi-verlag.de: Imperium, „Zum Inhalt“)
Neben dem anstrengenden und aufgeblasenen Schreibstil hat mich der dreiste Versuch, einen tieferen Sinn dieser skurrilen Geschichte zu behaupten, am meisten gestört. Meine Empfehlung: Nicht lesen!
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„In seinem vierten Roman zeichnet Christian Kracht die groteske, verlorene Welt von Deutsch-Neuguinea, eine Welt, die dem Untergang geweiht ist und in der sich doch unsere Gegenwart seltsam spiegelt.“ Es tut mir wirklich leid, auch die behauptete Spiegelung der Gegenwart blieb mir verborgen.
„Zugleich aber ist Christian Krachts Imperium eine erstaunliche, immer wieder auch komische Studie über die Zerbrechlichkeit und Vermessenheit menschlichen Handelns.“ Es handelt sich um einen dem Wahnsinn erliegenden Vegetarier und Nudisten, der an die Allmacht der Kokosnuss glaubt. Wo ist der angebliche Bezug zur „Vermessenheit menschlichen Handelns“? (Zitate aus kiwi-verlag.de: Imperium, „Zum Inhalt“)
Neben dem anstrengenden und aufgeblasenen Schreibstil hat mich der dreiste Versuch, einen tieferen Sinn dieser skurrilen Geschichte zu behaupten, am meisten gestört. Meine Empfehlung: Nicht lesen!
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Quellen der Zitate und weiterführende Informationen:
Da Krachts in der Südsee!
AntwortenLöschenUnd wohl wieder ein weiteres nutzloses und langweiliges Buch auf dieser Welt.
Danke für die Rezesion!
Gruß
Marc